Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsänderung. Personalabbau, der nur einem (wesentlichen) Betriebsteil betrifft

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anwendung des § 112 a Abs. 1 BetrVG 1972 ist es ausschließlich von Bedeutung, ob die Betriebsänderung allein der Entlassung von Arbeitnehmern, in einem (reinen) Personalabbau besteht. Für die Sozialplanpflichtigkeit kommt es dagegen nicht darauf an – solange eben nur der Personalabbau allein ohne Änderung der Betriebsanlagen oder -mittel vorliegt –, ob dieser Personalabbau (lediglich) einen wesentlichen Betriebsteil betrifft und sich als Einschränkung oder Stillegung eines wesentlichen Betriebsteiles darstellt.

 

Normenkette

BetrVG 1972 §§ 111, 112a

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.01.1986; Aktenzeichen 12 Bv 9/85)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 06.12.1988; Aktenzeichen 1 ABR 47/87)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 21. Januar 1986 – 12 Bv 9/85 – abgeändert und wie folgt gefaßt.

Es wird festgestellt, daß der durch Spruch der Einigungsstelle vom 11. September 1985 aufgestellte Sozialplan wegen Auflösung der Reinigungsabteilung unwirksam ist.

Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht gegen diesen Beschluß wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des durch Spruch einer Einigungsstelle vom 11.9.1985 aufgestellten Sozialplanes. Anlaß für diesen Sozialplan war die beabsichtigte Entlassung von 35 der 39 bei der Antragstellerin – die einen Druck- und Verlags betrieb mit insgesamt damals 1.769 Arbeitnehmern unterhält – beschäftigten Putzfrauen; die Reinigungsarbeiten sollten zukünftig von einem Reinigungsunternehmen durchgeführt werden.

Wegen des zugrundeliegenden Sachverhaltes, des Vorbringens der Beteiligten und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat den auf Feststellung der Unwirksamkeit des Sozialplanes gerichteten Feststellungsantrag zurückgewiesen.

Gegen diesen der Antragstellerin am 25.4.1986 zugestellten Beschluß, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die am 29.4.1986 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und dort am 22.5.1986 begründete Beschwerde der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hält daran fest, daß für die Einigungsstelle eine Zuständigkeit nicht gegeben sei. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht in der Entlassung der 35 Putzfrauen eine Betriebsänderung gesehen. Der mit den bei ihr bislang angestellten Kräften betriebene Reinigungsdienst bilde schon keinen eigenen Betriebsteil innerhalb ihres Betriebes und könne keinesfalls als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden. Jedenfalls seien im Reinigungsdienst nicht wenigstens, wie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vorauszusetzen, 5 % der Gesamtbelegschaft beschäftigt gewesen. Da die Betriebseinschränkung vorliegend allein in einer Personalreduzierung ohne Änderung in den sächlichen Betriebsmitteln bestehe, sei auch § 112 a BetrVG 1972 (§§ ohne Gesetzesbezeichnung sind im folgenden solche des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972) anzuwenden, so daß auch von daher eine Sozialplanpflichtigkeit der Entlassungen ausscheide. – Überdies ist die Antragstellerin auch weiterhin der Auffassung, der Inhalt der getroffenen Sozialplanregelungen sei ermessensfehlerhaft.

Wegen des Vorbringens der Antragstellerin in den Einzelheiten und im übrigen wird auf ihre Beschwerdebegründung vom 20.5.1986 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21.1.1986 – 12 Bv 9/85 – abzuändern und festzustellen, daß der durch Spruch der Einigungsstelle am 11.9.1985 festgelegte Sozialplan unwirksam ist.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluß und tritt den Ausführungen der Antragstellerin entgegen. – Wegen des Vorbringens des Antragsgegners in der Beschwerdeinstanz wird auf seine Beschwerdebeantwortung vom 8.7.1986 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Denn das Ausscheiden der 35 Putzfrauen aus dem Betrieb der Antragstellerin ist weder eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung noch eine Betriebsänderung überhaupt, für die ein Sozialplan auf Betreiben des Antragsgegners durch die Einigungsstelle aufgestellt werden mußte und verbindlich aufgestellt werden konnte. Der Einigungsstelle fehlte deshalb die (sachliche) Kompetenz, einen Sozialplan aufzustellen. Dies führt zur Unwirksamkeit des durch Spruch der Einigungsstelle vom 11.9.1985 gleichwohl festgelegten Sozialplanes, weil auch für eine Vorabunterwerfung unter den Spruch der Einigungsstelle oder dessen nachträglicher Annahme (§ 76 Abs. 6 Satz 2) – was trotz fehlender Sachkompetenz der Einigungsstelle dessen Spruch wirksam hätte erscheinen lassen können – nicht ersichtlich ist.

Das Fehlen der Sozialplanpflichtigkeit der – hier zunächst einmal unterstellten – Betriebsänderung folgt ...

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