Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Steuerberaterprüfung wegen hoher Misserfolgsquote

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine hohe Misserfolgsquote ist allein nicht geeignet, eine angegriffene Prüfungsentscheidung als rechtswidrig zu beanstanden.

2. Das Verhältnis zwischen der Schwierigkeit einer Aufgabenstellung und den Maßstäben, die bei der Bewertung der Leistungen des Prüflings anzulegen sind, angemessen auszutarieren, erfordert komplexe prüfungsspezifische Bewertungen, die vorzunehmen den Prüfern vorbehalten ist, denen ein entsprechender Bewertungsspielraum zusteht.

3. Der Prüfling hat anhand einzelner Bewertungspunkte darzulegen, dass in einer sehr schwierigen Ertragsteuerklausur gerade nicht der erforderliche großzügige Bewertungsmaßstab angelegt worden ist und er bei Zugrundelegung dieses großzügigeren Bewertungsmaßstabs eine bessere Note als die Gegebene erzielt hätte.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; StBerG § 37

 

Streitjahr(e)

2002

 

Tatbestand

Der Kläger nahm an der Steuerberaterprüfung 2003 teil. Es handelte sich um die zweite Wiederholungsprüfung. Mit Bescheid vom 15.01.2004 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dieser mit einer Gesamtnote von 5,16 die Prüfung nicht bestanden habe. Im Einzelnen erzielte der Kläger folgende Noten: Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete: 5,5; Ertragsteuern: 5; Buchführung und Bilanzwesen: 5.

In der Steuerberaterprüfung 2002 erzielte der Kläger ebenfalls die Note 5,16; in der Prüfung 2001 die Note 5,00.

Mit vorliegender Klage wendet sich der Kläger gegen das für ihn negative Prüfungsergebnis. Er greift nicht die Bewertung der Arbeiten im Einzelnen an, sondern rügt eine fehlerhafte Gesamtkonzeption der drei Klausuren dahingehend, dass diese für die vorgesehene Zeit von sechs Stunden zu umfangreich und nicht zu bewältigen gewesen seien. Hieraus resultierten auch die hohen Durchfallquoten in den einzelnen Bundesländern, die zwischen 50% und 80% lägen. Bei diesen Zahlen seien im übrigen die zurückgetretenen Kandidaten nicht einmal berücksichtigt worden. Eine Misserfolgsquote von 30 bis 40 % werde man als üblich und akzeptabel hinnehmen müssen, nicht jedoch eine solche wie vorliegend gegeben.

Angesichts der Schwere der Arbeiten hätten verschiedene Bundesländer den Bewertungsmaßstab gelockert, was zu einer signifikanten Verbesserung der Bestehensquote geführt habe. Eine starke Indizwirkung für die Fehlerhaftigkeit der Aufgabenstellung ergebe sich weiterhin daraus, dass die besten Noten im befriedigenden Bereich zu finden seien und nur auf einen sehr geringen Teil der Kandidaten entfalle.

Bei der Steuerberaterprüfung handele es sich um eine subjektive Berufszugangsregelung, die an Art. 12 Grundgesetz (GG) zu messen sei. Hierbei sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Hieraus folge, dass die Anforderungen an die Prüfungsaufgaben nach Art, Inhalt und Schwierigkeitsgrad nicht ungeeignet, unmöglich oder unzumutbar sein dürfen.

Einen gravierenden Verfahrensmangel stelle es zudem dar, wenn der Prüfling bei Durchsicht der Aufgabenstellung sofort erkenne, dass die Arbeit viel zu umfangreich konzipiert sei und dies bei ihm zu einer erheblichen Verunsicherung führe, die die Leistungsfähigkeit entsprechend beeinträchtige.

Zu den allgemein gültigen Prüfungsmaßstäben gehöre ferner, dass die Prüfungsaufgaben so gestellt werden, dass besser qualifizierte Kandidaten auch gute Noten bzw. sogar die besten Noten erreichen könnten. Denn die Prüfung diene nicht nur dazu zu ermitteln, ob die Prüflinge die Mindestanforderungen für den Berufszugang erfüllten, vielmehr müssten die Examina auch eine differenzierte Qualifizierung ermöglichen. Im Gesetz vorgesehene Notenstufen erfüllten ihren Sinn und ihre Funktion nur dann, wenn entsprechend höhere Notenstufen auch für einen angemessenen Teil der Prüflinge erreichbar seien.

Schließlich stünden die Leistungsanforderungen an die Prüflinge offenkundig außer Verhältnis zu den Anforderungen an den Steuerberaterberuf.

Wegen Einzelheiten dieses Vorbringens wird auf den am 27.07.2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Prüfungsentscheidung des Beklagten vom 15.01.2004 aufzuheben und den Beklagte zur Neubewertung der Klausuren unter Beachtung einer angemessenen Notenskala zu verpflichten,

hilfsweise,

die Prüfungsentscheidung des Beklagten aufzuheben und den Kläger zur mündlichen Prüfung zuzulassen,

hilfsweise,

die Prüfungsentscheidung des Beklagten aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Ministerium hält einen Verfahrensfehler für nicht gegeben.

Entgegen der klägerischen Ansicht könnten zurückgetretene Kandidaten nicht in die Bestehens-/Nichtbestehensquote aufgenommen werden, da die Rücktritte aus unterschiedlichsten Gründen erfolgten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) seien zudem die Durchfallquoten für die Gültigkeit der Klausuren ohne Bedeutung. Es sei Sache des Klägers, im Einzelnen darz...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge