Leitsatz (amtlich)

1. Die Erstreckung des Begriffes der Anlagevermittlung in § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG auf den Nachweis von Geschäften über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten ist nicht von der Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (93/22 EWG) gedeckt.

2. Ein Mitgliedstaat ist grundsätzlich nicht gehindert, durch eine nationale Vorschrift von den Bestimmungen der Richtlinie 93/22/EWG nicht geregelte Sachverhalte zu erfassen. Es muss jedoch aus einer solchen weitergehenden nationalen Regelung klar hervorgehen, dass sie keine Umsetzung der Richtlinie darstellt, sondern auf dem autonomen Willen des nationalen Gesetzgebers beruht (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 21. November 2002 – C-356/00 –, EuGHE 2002, 10799-10827).

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.01.2006; Aktenzeichen 1 G 7060/04(1))

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2005 abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2004 wird hinsichtlich der Nrn. I, II, IV und V angeordnet und hinsichtlich der Nrn. III und VI wiederhergestellt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 78.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin betreibt ein Call-Center und erbringt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Dienstleistungen für die MWB Vermögensverwaltung Zürich AG (MWB), die im Wesentlichen darin bestehen, dass nach vorangegangener Adressenselektion bei bestimmten Personen telefonisch abgefragt wird, ob Interesse an einer Vermögensverwaltung durch die MWB besteht. Die Antragsgegnerin stufte diese Tätigkeit als erlaubnispflichtige Anlagevermittlung in der Form des Nachweises gemäß § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG ein und ordnete auf dieser Grundlage mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 nebst weiteren flankierenden Regelungen die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs an.

Die Antragstellerin legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 Widerspruch ein und suchte gleichzeitig bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 17. März 2005 abgelehnt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 31. März 2005 eingelegten und mit am 21. April 2005 eingegangenem Schriftsatz begründeten Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO) und begründet.

Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründungsschrift lassen den Schluss zu, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt hat.

Die vorzunehmende Interessenabwägung muss nach Auffassung des Senats zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen, da an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides erhebliche Zweifel bestehen.

Dem angegriffenen Bescheid und der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegt jeweils die Annahme zu Grunde, die Antragstellerin betreibe eine unerlaubte Anlagevermittlung in der Form des Nachweises gemäß § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG. Unabhängig von der Tragfähigkeit der weiteren Einwände macht die Antragstellerin hiergegen in der Beschwerdebegründung zu Recht geltend, dass die von der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht vorgenommene Anwendung und weiter Auslegung des Tatbestandes des Nachweises von Geschäften über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht erheblichen Bedenken begegnet.

Diese ergeben sich jedenfalls daraus, dass die Erstreckung des Begriffes der Anlagevermittlung in § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG auf den Nachweis von Geschäften über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten nicht von der Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (93/22/EWG) gedeckt ist. Die Richtlinie statuiert nämlich in Art. 3 Abs. 1 und Art. 1 Nr. 1 i.V.m. dem Anhang Abschnitt A Nr. 1a die Notwendigkeit einer Erlaubnispflicht nur für die Annahme und Übermittlung – für Rechnung von Anlegern – von Aufträgen, die eines oder mehrere der in Abschnitt B genannten Instrumente zum Gegenstand haben sowie die Ausführung solcher Aufträge für fremde Rechnung (Anhang Abschnitt A Nr. 1b). Darunter fällt die in § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG ausweislich der Gesetzesbegründung in Bezug genommene Tätigkeit eines so genannten Nachweismaklers im Sinne von § 34c GewO ersichtlich nicht. Davon geht sogar die Antragsgegnerin selbst in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 7. Juni 2005 explizit aus (S. 4 oben und S. 6).

Dies führt freilich für sich allein noch nicht zur Unzulässigkeit einer solchen über die Richtlinie hinausgehenden nationalen Regelung. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. November 2002 (Az.: C...

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