Wenn die 2 Anwendungsvoraussetzungen für das Korrekturverfahren nach der VDI-Richtlinie 2077 erfüllt sind, hat der Vermieter keinen Ermessensspielraum.[1]

  1. Freiliegende überwiegend ungedämmte Heizungsrohre

    Voraussetzung für das Korrekturverfahren nach VDI 2077 ist, dass die freiliegenden Heizungsrohre in den Wohnungen überwiegend ungedämmt sind. Mit freiliegend sind die sichtbaren, auf Putz verlegten Heizungsrohre gemeint. Nach dem BGH[2] ist das Korrekturverfahren auch nicht bei Heizleitungen anzuwenden, die in den Wänden oder im Estrich verlaufen. Unter Putz verlaufende Heizrohre gelten als gedämmt.

  2. Keine Erfassung eines wesentlichen Anteils des Wärmeverbrauchs

    Um festzustellen, ob diese Voraussetzung vorliegt, muss der nicht erfasste Wärmeverbrauch ermittelt werden. Mithilfe des VDI-Verfahrens 2077 wird anhand der erfassten Verbrauchswerte bestimmt, ob ein wesentlicher Anteil der Heizwärme nicht erfasst wurde und deshalb Kostenverzerrungen entstehen. Das VDI-Verfahren soll ausschließlich bei Rohrwärmefällen angewendet werden.

Folgende Kriterien sind nach VDI-Richtlinie 2077 maßgeblich:

Verbrauchswärmeanteil ist ≤ 34 %

Verglichen wird, wie viel Heizwärme in ein Gebäude geflossen ist und welchen Anteil davon die elektronischen Heizkostenverteiler in den Räumen der Mieter erfasst haben. Außerdem muss der Wirkungsgrad der Heizanlage berücksichtigt werden (bei Öl- oder Gasheizung 80 %, bei Fernwärme 100 %). Dabei wird die "Basisempfindlichkeit" der elektronischen Heizkostenverteiler auf 1,0 eingestellt. Das bedeutet, dass eine gemessene Verbrauchseinheit einer kWh entspricht.

Der kritische Grenzwert liegt bei einem Verbrauchswärmeanteil von ≤ 34 %. Das folgende Beispiel zeigt die Berechnung für eine Gastherme.

 
Praxis-Beispiel

Berechnungsbeispiel für Gastherme

Gasverbrauch (Erdgas H) laut Rechnung: 10.000 m3 × Heizwert 10,0 kWh/m3 = 100.000 kWh (1 m3 = 10 kWh) × Wirkungsgrad 80 % (Vorgabe laut VDI 2077) = 80.000 kWh – Abzug Anteil für Warmwasser bei verbundener Anlage (ergibt sich aus der Heizkostenabrechnung), hier 25 % = 20.000 kWh: 80.000 kWh – 20.000 kWh = 60.000 kWh = Heizenergie

Verbrauchseinheiten (VE) erfasst durch elektronische Heizkostenverteiler: 20.000 VE

Basisempfindlichkeit (Verhältnis von Verbrauchseinheit zu kWh; wenn die genaue Basisempfindlichkeit nicht bekannt ist, wird von 1,0 ausgegangen): 1,0 VE entsprechen 1,0 kWh

Umrechnung VE in kWh: 20.000 VE = 20.000 kWh

Der Verbrauchswärmeanteil wird errechnet aus: 20.000 kWh / 60.000 kWh = 0,33 = 33 %

Damit gilt das Anwendungskriterium für das Korrekturverfahren als erfüllt.

Die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren muss ≥ 85 % sein

Bei einer starken Rohrwärmeabgabe fällt auf, dass viele Mieter einen erheblich höheren bzw. erheblich niedrigeren Verbrauch als der Durchschnitt verzeichnen. Um dies zu erkennen, wird die Verbrauchsspreizung ermittelt. Dazu wird die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren berechnet, Grundlage hierfür ist die Summe aller Verbrauchsfaktoren. Die Standardabweichung gibt an, wie stark die Werte um den Mittelwert streuen.

 
Praxis-Beispiel

Mehrfamilienhaus mit 6 Wohnungen

 

1

Whg. Nr.

2

m2

3

Verbrauch in kWh

4

kWh pro m2

5

Mittelwert aus Spalte 4

6

% vom Mittelwert

7

Spalte 6: 100 minus 1

8

Spalte 7 hoch 2

9

Summe Spalte 8 geteilt durch 6 Whg minus 1

10

Wurzel aus Spalte 9
1 61 3 0,05 8,89 0,56 – 0,9944 0,98883 1,15 1,072
2 92 695 7,55   84,93 – 0,1507 0,02271    
3 59 215 3,64   40,94 – 0,5906 0,34881    
4 92 2.040 22,2   249,38 1,4938 2,23144    
5 55 44 0,8   9 – 0,91 0,8281    
6 80 1.530 19,1   215,19 1,1519 1,32687    
  439 4.527         5,746    

Die Standardabweichung im Beispiel beträgt 107 %. Damit ist das Anwendungskriterium erfüllt.

Der Anteil der Niedrigverbraucher ist ≥ 15 %

Der Rohrwärmefall ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil von Niedrigverbrauchern, die beinahe gänzlich ohne gemessenen Wärmeverbrauch auskommen. Niedrigverbraucher nach der VDI 2077 sind diejenigen, deren Einheiten pro Quadratmeter weniger als 15 % vom arithmetischen Mittelwert der Einheiten pro Quadratmeter aller Nutzer ausmachen. Der Anteil der Niedrigverbraucher an der Gesamtnutzerzahl muss ≥ 15 % sein.

 
Praxis-Beispiel

Mehrfamilienhaus mit 6 Wohnungen

 
Whg Nr. m2 Verbrauch in kWh kWh pro m2 Mittelwert aller kWh/m2 15 % vom Mittelwert Niedrigverbraucher
1 61 3 0,05 8,89 1,33 Ja
2 92 695 7,55     Nein
3 59 215 3,64     Nein
4 92 2.040 22,17     Nein
5 55 44 0,8     Ja
6 80 1.530 19,13     Nein

Die Wohnungen 1 und 5 zählen zu den Niedrigverbrauchern, das sind zwei von sechs Wohnungen. Damit liegt der Anteil der Niedrigverbraucher bei 33 %.

[1] Wall, Rn. 5867, mit umfassender Rechtsprechung.
[2] BGH, Urteil v. 15.3.2017, VIII ZR 5/17, WuM 2017, 320; AG Bayreuth, Urteil v. 19.8.2014, 102 C 1359/13, GE 2015, 132; AG Emmendingen, Urteil v. 10.4.2012, 3 C 115/10, GE 2015, 131; Wall, Rn. 5872a.

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