Leitsatz

  1. KG Berlin rückt weitgehend von seiner früheren Haftungsverbands-Rechtsprechung ab!
  2. Aufrechnung gegenüber Wohngeldforderungen mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung gegen die Gemeinschaft auch dann zulässig, wenn sich der Haftungsverband durch Eintritt neuer Wohnungseigentümer inzwischen geändert hat
  3. Gemeinschaftliche Gelder bilden ein einheitliches Verwaltungsvermögen
  4. Keine Aufteilung des Verwaltungsvermögens in getrennte Unterkassen für die einzelnen Wirtschaftsperioden
  5. Abrechnungsguthaben sind allerdings vorrangig aus gleichzeitig festgelegten Nachzahlungsforderungen (und nicht aus laufenden Wohngeldvorschüssen späterer Wirtschaftsperioden) auszugleichen; dies gilt auch für Aufrechnungen
  6. Ein zwischenzeitlich bestellter Notverwalter ist als Verfahrensvertreter in das Rubrum der Gerichtsentscheidung und als Zahlungsadressat im Tenor einzubeziehen
 

Normenkette

(§§ 16 Abs. 2, 27 Abs. 2 Nr. 5, 28 Abs. 5 WEG; §§ 387, 425 BGB)

 

Kommentar

1. Ein Wohnungseigentümer kann gegen Wohngeldforderungen mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung gegen die Gemeinschaft auch dann aufrechnen, wenn sich der Haftungsverband durch Eintritt neuer Wohnungseigentümer zwischenzeitlich geändert hat. Vorliegend hat es mehrfach Eigentümerwechsel gegeben. Insoweit war es frühere Rechtsprechung des Senats bei Eigentümerwechsel den Haftungsverband in den Vordergrund zu stellen (vgl. NJW-RR 1995, 975 und 1996, 465); diese Rechtsprechung ist im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen (vgl. Staudinger/Bub, § 28 Rn. 199 m.w.N.). Nach neuerlicher Überprüfung hält der Senat seine frühere Rechtsprechung für ergänzungsbedürftig.

2. Die Aufrechnungsmöglichkeit ist nunmehr auch zu bejahen, wenn sich der Haftungsverband durch Eintritt neuer Eigentümer inzwischen geändert hat. Die daraus folgende wirtschaftliche Erwerberhaftung für Altschulden steht dem nicht entgegen, da gemeinschaftliche Gelder ein einheitliches Verwaltungsvermögen darstellen, welches nicht in getrennte Unterkassen für die einzelnen Wirtschaftsperioden aufgeteilt ist. Ein solches einheitliches Verwaltungsvermögen steht schon nach seiner Zweckbestimmung (Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Eigentums) ausschließlich den jeweiligen, im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümern zu, die auch allein die Beschlusskompetenz darüber haben (Senat, NZM 2000, 830 = ZMR 2000, 399 = ZWE 2000, 224). In diesen einheitlichen Pool fließen ständig Einzahlungen, aus ihnen erfolgen auch dauernd Auszahlungen. Mit der periodischen Abrechnung werden Einnahmen und Ausgaben (oder Kosten) für einen bestimmten Zeitraum verbindlich unter den bei der Beschlussfassung vorhandenen Wohnungseigentümern endgültig und abschließend aufgeteilt. In die Wirtschaftspläne und Abrechnungen sind die Einnahmen und Ausgaben (oder Kosten) unabhängig von dem gesamtschuldnerischen Haftungsverband im Außenverhältnis (§ 426 BGB) aufzunehmen. Eine im Vorjahr entstandene Verwaltungsschuld kann vom Verwalter auch im Folgejahr beglichen werden, selbst wenn inzwischen ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat (von dem ein Verwalter nicht einmal Kenntnis erlangt haben kann oder muss). Ebenso bleiben Wohngeldvorschüsse Bestandteil der gemeinschaftlichen Gelder über das Wirtschaftsjahr hinaus und dienen dem Ausgleich von Verwaltungsschulden ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihres Entstehens und des Haftungsverbands gegenüber dem Außengläubiger (§ 426 BGB). Auch neue Eigentümer zahlen ihre Wohngeldvorauszahlungen (Beitragsvorschüsse fristgemäß in das Verwaltungsvermögen, können aber von der Gemeinschaft nicht verlangen, dass davon nur die nach ihrem Eintritt begründeten Verwaltungsschulden beglichen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass nur durch Vereinbarung eine (rechtsgeschäftliche) Erwerberhaftung statuiert werden kann; denn diese erfasst nur die gegen den Vorgänger durch Eigentümerbeschluss bereits "begründeten und fällig gewordenen" Verbindlichkeiten, nicht aber die nach Eintritt des neuen Wohnungseigentümers durch Eigentümerbeschluss festgelegten Wohngelder und Abrechnungsspitzen. Dieser mittelbaren Haftung für Altschulden kann ein Erwerber nicht entgehen, wie auch umgekehrt aus "alten" Vorschüssen seines Vorgängers die den Erwerber betreffenden "neuen" Verwaltungsschulden getilgt werden können. Das Abrechnungswesen im Wohnungseigentumsrecht knüpft somit nicht an die Entstehung einer Verwaltungsschuld und den jeweiligen Haftungsverband an.

3. Für bestandskräftig beschlossene Abrechnungsguthaben können diese vorerwähnten Rechtsgrundsätze allerdings nicht uneingeschränkt gelten. Es geht hier anders als bei einer Notgeschäftsführung nicht darum, dass eine Verwaltungsschuld von einem Gesamtschuldner und somit regelwidrig nicht direkt aus der Gemeinschaftskasse beglichen worden ist. Hier geht es vielmehr um den gegenseitigen Ausgleich der Eigentümer für eine bestimmte, bereits abgerechnete vergangene Wirtschaftsperiode. Selbst wenn Nachzahlungen und Guthaben ausgeglichen sind, steht keineswegs fest, ob die Nachzahlungen auch tatsächli...

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