3.1 Grundsätze

Seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 kennt das WEG keine ausdrückliche Verpflichtung des Wohnungseigentümers mehr, dafür Sorge tragen zu müssen, dass auch Personen, die sich in seinem Hausstand befinden oder denen er die Nutzung seines Sondereigentums überlassen hat, die Vereinbarungen und Beschlüsse der Wohnungseigentümer einzuhalten haben, wie dies noch in § 14 Nr. 2 WEG a. F. der Fall war. Die Norm war deshalb obsolet, weil ein Wohnungseigentümer seinem Nutzer nicht mehr Rechte einräumen kann, als er selbst hat. Hieraus folgt aber auch, dass der Wohnungseigentümer für ein gemeinschaftskonformes Verhalten seines Nutzers zumindest mitverantwortlich ist.[1] Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Rechtgrund des Nutzungsverhältnisses (Miete, Nießbrauch oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung).

3.2 Zweckbestimmungswidrige Nutzung

In allen Fällen der zweckbestimmungswidrigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit durch den Nutzer besteht sowohl ein Unterlassungsanspruch gegen den Nutzer als auch gegen den das Nutzungsverhältnis vermittelnden Wohnungseigentümer.[1]

 
Praxis-Beispiel

Die Intensivpflege- und Beatmungs-WG

Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus insgesamt 10 Sondereigentumseinheiten. Das Erdgeschoss ist in der Teilungserklärung als "Büroetage" bezeichnet. Daneben befinden sich in den oberen Etagen ausschließlich Wohnungen. In der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass die "Büroetage" zur Nutzung als Büro vorgesehen ist und die Wohnungen ausschließlich Wohnzwecken dienen. Die Teileigentümerin vermietet die Büroetage an den Betreiber von Intensivpflege- und Beatmungs-WGs. Auch in der Büroetage wird daher eine solche Einrichtung betrieben. Insgesamt werden dort 5 schwer kranke Personen von täglich mindestens 2 Pflegekräften versorgt. Daneben wird die Einrichtung ebenfalls täglich von medizinischen Fachkräften frequentiert und Besuchern der schwer kranken Patienten. Im Zuge des Abtransports verstorbener und der Einlieferung neuer Patienten kam es bereits zu sichtbaren Beschädigungen im Eingangsbereich der Wohnanlage.

Da die Patienten rund um die Uhr an Überwachungsgeräte zur Überprüfung ihres Gesundheitszustands angeschlossen sind, die akustische Alarmsignale senden, wenn sich der Gesundheitszustand temporär verschlechtert, kommt es häufig nachts zu Störungen in den beiden über der Büroeinheit gelegenen Wohnungen. In diesen sind diese Alarmsignale nämlich zu hören. In den höher gelegenen Etagen sind die Signaltöne nicht zu vernehmen.

Zunächst wird durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung, z. B. als "Büroetage", die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt – wenn es sich (wie in aller Regel) um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt. Eine solche dient der Regelung der Beziehungen der Wohnungseigentümer untereinander, ist also Teil der Gemeinschaftsordnung, die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer bildet.[2]

Dies zugrunde gelegt, ist im Beispielsfall einerseits § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG und andererseits § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG betroffen. Beide Vorschriften regeln die Pflicht eines jeden Wohnungseigentümers, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten. Diese Pflicht besteht sowohl gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als auch gegenüber den anderen Wohnungseigentümern. Von maßgeblicher Bedeutung ist allerdings, dass einzelne Wohnungseigentümer Unterlassungsansprüche nur dann haben, wenn sie konkret in ihrem Sondereigentum beeinträchtigt sind.

Zunächst ist der Rechtskreis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berührt. Sowohl bei typisierender als auch bei konkreter Betrachtungsweise ist die Nutzung als Intensivpflege aufgrund der damit verbundenen stärkeren Inanspruchnahme des Teileigentums (hochfrequentierte Nutzung, Beschädigungen im Eingangsbereich) mit größeren Beeinträchtigungen verbunden, als dies bei einer zweckbestimmungsgemäßen Nutzung der Fall wäre; ein Unterlassungsanspruch der Gemeinschaft besteht also. Diese muss nun diesen Anspruch nicht mehr zur Ausübung an sich ziehen, wie dies nach altem Recht § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 2 WEG a. F. vorgesehen hatte. Die Ausübungsbefugnis verleiht ihr nun § 9a Abs. 2 WEG unmittelbar. Freilich muss aber dennoch ein Beschluss darüber gefasst werden, den Unterlassungsanspruch auch geltend zu machen.

Neben dem Rechtskreis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist allerdings auch der Rechtskreis der beiden Eigentümer der über der Büroeinheit gelegenen Wohnungen betroffen. Durch die dort vernehmbaren Signaltöne ist ihr Sondereigentum direkt beeinträchtigt. Eine über das Maß des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG hinausgehende Beeinträchtigung liegt auch vor, da es bei zweckbestimmungsgemäßer Nutzung als Büro keiner Überwachungsmaschine bedarf. Auch diesen beiden Wohnungseigentümern steht also ein Unterlassungsanspruch zu, der sowohl aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG i. V. m. § 1004 BGB gegenüber der Teileigentümerin resul...

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