OFD Cottbus, 22.08.2003, S 2280 - 5 - St 212, S 2280 - 4 - St 212

BMF-Schreiben vom 16. Juli 2003, BStBl I 2003 S. 385

 

1. Allgemeines

Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes wird nach § 31 EStG durch den Kinderfreibetrag (§ 32 EStG) oder durch das Kindergeld (§§ 62 ff EStG) bewirkt. Sofern die gebotene steuerliche Freistellung durch das während des Kalenderjahres gezahlte Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wird, ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG – sog. Günstigerprüfung). Zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung ist in diesem Fall bei der Veranlagung das gezahlte Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG). In § 31 EStG hat der Gesetzgeber jedoch nicht ausdrücklich geregelt, ob in die anzustellende Vergleichsrechnung nur diejenigen Monate einzubeziehen sind, für die Kindergeld gezahlt worden ist (Monatsprinzip) oder ob dem während des Veranlagungszeitraums insgesamt gezahlten Kindergeld der Kinderfreibetrag für das gesamte Kalenderjahr gegenüberzustellen ist (Jahresprinzip). Eine entsprechende Regelung ist lediglich im BMF-Schreiben vom 9. März 1998 (BStBl I S. 347) in Rdnr. 7 Satz 3 enthalten. Danach gilt Folgendes:

„Wird in einem VZ für dasselbe Kind Kindergeld … nicht für jeden Monat, in dem das Kind steuerlich zu berücksichtigen ist, gezahlt, ist die Prüfung zusammenfassend für den gesamten Zeitraum vorzunehmen.”

Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung ist insoweit eine „Jahresbetrachtung” vorzunehmen.

 

2. BFH-Entscheidung

Aufgrund der in § 66 Abs. 3 EStG a.F. enthaltenen Ausschlussfrist zur Antragstellung von Kindergeld ist es in den entsprechenden Zeiträumen (1996 bis 1997) teilweise zu Fristversäumnissen gekommen, die dazu führten, dass für das Kind kein Kindergeld gezahlt werden konnte, es aber gleichwohl Anspruch auf eine steuerliche Berücksichtigung hatte. Gemäß der Verwaltungsanweisung wurde in diesen Fällen eine Jahresbetrachtung bei der Günstigerprüfung vorgenommen und somit ein geringerer „Kindergeld-Zeitraum” dem gesamten „Kinderfreibetrags-Zeitraum” gegenübergestellt.

Die sich mit dieser Rechtsauffassung auseinandersetzenden Revisionsverfahren wurden nunmehr vom BFH zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Der BFH stellt bei der Günstigerprüfung nur auf die Zeiträume ab, für die sowohl Kindergeld gezahlt worden ist, als auch Anspruch auf den Kinderfreibetrag besteht. Für die Zeiträume, für die zwar Anspruch auf die steuerlichen Freibeträge bestand, für die aber kein Kindergeld gezahlt worden ist, sind die steuerlichen Freibeträge für Kinder ohne Vornahme einer Günstigerprüfung abzuziehen.

Das Urteil zu dem in dieser Rechtsfrage vom BFH erstentschiedenen Verfahren (VIII R 65/99) ist zwischenzeitlich im BStBl II 2003 S. 593 veröffentlicht worden. Mit Urteilen vom 15.01.2003 hat der BFH alle weiteren – zu der vorgenannten Rechtsfrage – anhängigen Verfahren entschieden (siehe dazu auch Beilage Nr. 2/2003 zum BStBl II Nr. 10/2003). U.a. hat er im Verfahren VIII R 69/00 (altes Az.: VI R 11/00), das aufgrund des Urteils des Finanzgerichtes des Landes Brandenburg vom 27.10.1999, 6 K 2734/98 anhängig geworden war auch entsprechend den o.g. Ausführungen entschieden.

 

3. Anwendung der BFH-Entscheidung vom 16. Dezember 2002, VIII R 65/99

Eine Anwendung der vorgenannten BFH-Entscheidung kommt jedoch nur für noch offene Fälle der Veranlagungszeiträume 1996 bis 1999 in Betracht. Vom VZ 2000 an finden die Urteilsgrundsätze keine Anwendung mehr, weil die Freibeträge für Kinder seither in § 32 Abs. 6 EStG mit dem Jahresbetrag dargestellt. sind. Eine diesbezügliche Entscheidung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist im BMF-Schreiben vom 16. Juli 2003, BStBl. I S. 385 veröffentlicht worden.

Die Bearbeitung von Einsprüchen, in denen eine monatsbetrachtende Günstigerprüfung geltend gemacht wurde und die aufgrund der anhängigen Verfahren zum Ruhen gebracht worden sind, ist wieder aufzunehmen. Dies ist dem Einspruchsführer bzw. dessen Bevollmächtigten mitzuteilen (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Die Einsprüche sind gemäß vorstehender Ausführungen zu entscheiden.

 

Normenkette

§ 31 EStG

§ 32 EStG

§§ 62 ff EStG

§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG

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