Normenkette

§ 3 Abs. 2 WEG, § 7 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

Wohnungseigentum kann durch Eintragung im Grundbuch nur dann begründet werden, wenn neben dem Eintragungsantrag, einer Teilungserklärung nach § 8 Abs. 1 WEG des eingetragenen Alleineigentümers als Eintragungsbewilligung und einem Aufteilungsplan dem Grundbuchamt eine Abgeschlossenheitsbescheinigung nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WEG vorgelegt wird. Diese Bescheinigung ist formelle Eintragungsvoraussetzung, ohne deren Vorliegen das Grundbuchamt Wohnungs- und Teileigentum nicht eintragen darf.

Die Tätigkeit des Grundbuchamtes ist fast ausschließlich vom Vorliegen urkundlicher Erklärungen in bestimmter Form abhängig, d. h. streng formalisiert. Deshalb ist auch das Grundbuchamt nicht verpflichtet, bautechnische Fragen oder verwaltungsrechtliche Probleme zu überprüfen (vgl. BGH, WPM 1990, 606/608 = DNotZ 1990, 259/260 = RPfl. 1990, 159/160; vgl. auch Schmidt DNotZ 1990, 251/254). Deshalb darf auch das Grundbuchamt bei Vorliegen einer Abgeschlossenheitsbescheinigung und der sonstigen Eintragungsvoraussetzungen ohne weitere Prüfung anderer Fragen die Wohnungsgrundbücher anlegen.

Einzige Ausnahme wäre eine aufgrund der Eintragungsunterlagen erkennbare Unrichtigkeit der Abgeschlossenheitsbescheinigung; nur insoweit wäre das Grundbuchamt an die Bescheinigung nicht gebunden.

An diesen Grundsätzen vermag auch die "Kraftloserklärung" durch die Baubehörde zumindest unter den besonderen Umständen dieses Falles nichts zu ändern. Der Senat ist in seinem Beschluss v. 23. 11. 1989 (BayObLG Z 1989, 447/451) aufgrund der Beurteilung anderer Bescheinigungen davon ausgegangen, dass die Abgeschlossenheitsbescheinigung kein Verwaltungsakt sei, der nur nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen zurückgenommen oder widerrufen werden könnte. Eine Rücknahme oder einen Widerruf eines Verwaltungsaktes hätte das Grundbuchamt ohne nähere Prüfung hinzunehmen.

Auch nach Ansicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist jedoch die Abgeschlossenheitsbescheinigung kein Verwaltungsakt (Beschluss des BayVGH v. 28. 12. 1989, Nr. 2 CE 89.3743; OVG Münster, MittBayNot 1986, 82/83; BVerwG, RPfl. 1988, 256/257). Aus diesem Grund wählte die Baubehörde auch die Formulierung der "Kraftloserklärung". Die Abgeschlossenheitsbescheinigung hat damit lediglich die Bedeutung einer Wissenserklärung; dennoch kann ihre Bedeutung für das Grundbuchverfahren auch nicht beliebig wieder beseitigt werden. Diese Erklärung kann entweder richtig oder falsch sein; ist sie richtig, so ist kein rechtlich beachtlicher Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, diese Erklärung (an die sich Rechtswirkungen knüpfen) wieder zu beseitigen. Ein Bedürfnis zur Beseitigung einer Wissenserklärung wäre nur dann anzuerkennen, wenn und soweit sie inhaltlich falsch ist.

Vorliegend wollte die Baubehörde eine Unrichtigkeit der Abgeschlossenheitsbescheinigung allenfalls auf die Nichtbeachtung der jetzt geltenden bautechnischen Anforderungen hinsichtlich der Wohnungstrennwände und -decken stützen. Damit sei aber nicht gesagt, dass die seinerzeit bescheinigte räumliche Abgeschlossenheit ebenfalls zu Unrecht bestätigt wurde. Der Begriff der Abgeschlossenheit in § 3 Abs. 2 WEG ist ein zivilrechtlicher Begriff ohne Bezugnahme auf die baurechtlichen Vorschriften. Durch das Erfordernis der Abgeschlossenheit wollte der Gesetzgeber nicht einen bautechnischen Mindeststandard sichern, sondern nur Streitigkeiten vermeiden, wie sie unter der Geltung des Stockwerkseigentums als Folge unklarer rechtlicher Verhältnisse entstanden sind. Es sollte mithin lediglich gewährleistet sein, dass jeder Sondereigentumsbereich von demjenigen der anderen Wohnungseigentümer eindeutig abgegrenzt ist. Die Abgeschlossenheit in diesem Sinne ist durch den von der "Kraftloserklärung" nicht berührten Inhalt der vorgelegten Abgeschlossenheitsbescheinigung nach wie vor bestätigt; dies genügt jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Übergangsfällen für die Eintragung im Grundbuch. Damit wird auch im Ergebnis dem Gedanken des Vertrauensschutzes Rechnung getragen.

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 20.06.1990, BReg 2 Z 37/90( BayObLG, Beschluss v. 20. 6. 1990, Az.: BReg 2 Z 37/90= BayObLG Z 1990 Nr. 37 ebenso BayObLG, Beschluss v. 28. 6. 1990, Az.: 2 Z 54/90)

zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung

Anmerkung:

Mit allen rechtlich möglichen oder auch zweifelhaften Mitteln versuchen derzeit Baubehörden - m. E. zu Unrecht und mehr oder weniger mietpolitisch motiviert (in Großstädten mit Wohnungsnot offensichtlich jedoch nicht mit durchschlagendem Erfolg) - früher einmal erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigungen für Altbauumwandlungen zu "stornieren", und zwar unter Berufung auf im 2. Halbjahr 1989 überraschend gefällte Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Mag man schon an der Richtigkeit und Überzeugungskraft dieser verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zweifeln (sehr bedenkliche Auslegung der Verfügung für die Ausstellung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen von ...

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