Rz. 101

Das englische Recht kennt nur das Testament (will), nicht aber einen Erbvertrag. Formal zulässig ist die Zusammenfassung mehrerer Testamente in einem Dokument (sog. joint will). Dabei können beliebige Personen gemeinsam ihr Testament verfassen, wobei aber alle Beteiligten sämtliche Formvorschriften einzuhalten haben, insbesondere sämtliche Unterschriften vor Zeugen bestätigt sein müssen. Einschränkungen der jederzeitigen, auch heimlichen Widerrufbarkeit der enthaltenen Verfügungen bewirkt die joint will jedoch nicht.[117]

 

Rz. 102

Der Begriff der mutual will wird im englischen Recht verwendet, wenn sich Personen gegenseitig bedenken und nach dem Tod des Längerlebenden von ihnen der Nachlass an bestimmte Dritte fallen soll. Auch diese Form des Testaments ist nicht auf bestimmte Personenkreise beschränkt, auch wenn sie meist von Ehegatten verwendet wird. Die Verfügungen können in einem gemeinsamen Testament aufgenommen werden (sog. joint and mutual will), müssen dies aber nicht zwingend. Allein die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen in einer mutual will macht die Testamente nicht unwiderruflich.

 

Rz. 103

Bindungen können sich jedoch ergeben, wenn die Beteiligten eine ausdrückliche oder sonst zweifelfrei auslegbare Vereinbarung getroffen haben, die wechselseitigen Testamente nicht zu widerrufen.[118] Dieses agreement muss nicht in der mutual will selbst enthalten sein, sondern kann auch außerhalb der Testamente zu einem beliebigen Zeitpunkt getroffen werden. Bezüglich der Folgen einer solchen Vereinbarung muss zwischen dem Widerruf zu Lebzeiten beider Beteiligter und dem Widerruf nach dem Tod eines von ihnen unterschieden werden: Solange beide Testatoren leben, bleiben die gegenseitigen Testamente frei widerruflich, wobei durch den Widerruf des einen Beteiligten auch der andere von den Bindungen frei wird.[119] Hat jedoch der Erstversterbende das Testament unverändert belassen, wird der länger Lebende in equity an seine Verfügung gebunden, so dass auch bei einem späteren, abweichenden Testament der personal representative gezwungen werden kann, das Vermögen im Wege eines constructive trust für die Begünstigten aus dem früheren Testament zu verwalten.[120]

 

Rz. 104

Auch außerhalb der wechselbezüglichen Verfügungen erlaubt das englische Recht Verträge, bestimmte letztwillige Verfügungen zu treffen bzw. ein bestimmtes Testament nicht zu widerrufen (sog. contract to make a will). Für solche Verträge gelten nicht die Formvorschriften des Testaments, sondern die allgemeinen Vertragsformen. Dies beinhaltet, dass eine Gegenleistung (consideration) gewährt oder das Versprechen in Form einer deed erteilt werden muss, wenn sich im Vertrag nur eine Person zu bestimmten letztwilligen Verfügungen verpflichtet. Der Bruch einer solchen Bindungsabrede macht zwar den Widerruf des Testaments nicht unwirksam, kann aber vereinbarungsgemäß zu Schadensersatzansprüchen, die nach dem Tod des Verpflichteten gegenüber dem personal representative geltend zu machen sind, führen.[121]

[117] Vgl. Parry and Kerridge, Rn 3–07.
[118] Vgl. Goodchild v Goodchild [1997] 3 All E.R. 63, worin ein bloßes "common understanding" nicht als ausreichender Beweis einer klaren Vereinbarung gewertet wird; ausf. dazu Parry and Kerridge, Rn 6–33 ff.
[119] Für diesen Fall können jedoch Schadensersatzpflichten vereinbart werden, vgl. Rdn 104.
[120] Vgl. Henrich, Großbritannien Rn 190, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht. Unsicher werden dagegen die Folgen von lebzeitigen Verfügungen behandelt, wobei wohl der Längerlebende zu solchen berechtigt bleibt, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wird; vgl. Kanda Rovati, S. 12 ff.
[121] Vgl. Kanda Rovati, S. 16 f., Parry and Kerridge, Rn 6–01 ff. Nach neuer Rechtsprechung des Court of Appeal finden daneben die in equity entwickelten Grundsätze des proprietary estoppel auch im Erbrecht Anwendung. Danach kann ein Begünstigter im Einzelfall eine ihm in Aussicht gestellte testamentarische Zuwendung verlangen, wenn er im Vertrauen auf eine entsprechende Ankündigung des Verstorbenen selbst zu seinem Nachteil gehandelt, z.B. unentgeltlich gearbeitet oder Pflegeleistungen erbracht hat; vgl. Parry and Kerridge, Rn 6–07 ff.

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