Rz. 29

Das englische Kollisionsrecht der vermögensrechtlichen Ehefolgen, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des Güterstandes, muss als sehr unsicher bezeichnet werden. Grund dafür ist, dass England selbst kein Güterrecht kennt und sich damit die Frage des Güterstatuts aus englischer Sicht im Regelfall nicht stellt. Die wenigen, meist älteren höchstrichterlichen Entscheidungen beziehen sich nur auf solche Fälle, bei denen in Frage stand, ob eine ausländische Gütergemeinschaft Einfluss auf das Eigentum an in England belegenem Vermögen hat.[35] Dementsprechend behandelt die englische Literatur das internationale Privatrecht der Ehefolgen nur unter dem Blickwinkel der Auswirkungen der Ehe auf die Eigentumsverhältnisse.[36] An den Europäischen Güterrechtsverordnungen[37] hat sich England nicht beteiligt.

 

Rz. 30

Zu beachten ist aber, dass der Vermögensausgleich im Falle einer Scheidung nach englischem Recht zusammen mit dem nachehelichen Unterhalt kein Güterrecht darstellt, sondern zum Scheidungsfolgenrecht gehört, bei dem englische Gerichte ausschließlich eigenes Recht als lex fori anwenden, wenn sie zuvor ihre internationale Zuständigkeit angenommen haben.[38] Auch wenn sich der Güterstand kollisionsrechtlich nach deutschem oder einem sonstigen ausländischen Recht richtet, ist damit die Frage eines Zugewinnausgleichs oder sonstigen Vermögensausgleichs aus englischer Sicht nach der Sonderanknüpfung des Scheidungsfolgenrechts zu beurteilen (vgl. hierzu Rdn 92 ff.).[39]

[35] Z.B. Re De Nicols (No. 2) [1900] 2 Ch 410; Welch v. Tennent [1891] AC 639.
[36] Vgl. Dicey, Morris & Collins, Rule 165, Rn 28–007 ff.; Morris, Rn 13–010.
[37] Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates v. 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABl EU 2016, L 183/1 und Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates v. 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, ABl EU 2016, L 183/30 (zu beiden Verordnungen siehe näher "Allgemeiner Teil" § 1 in diesem Werk).
[38] Vgl. hierzu Radmacher v. Granatino [2010] UKSC 42, wo der Supreme Court den Sachverhalt trotz einer ehevertraglichen Wahl des deutschen Rechts nach englischem Recht beurteilte und die Rechtswahl lediglich als Indiz für den Rechtsbindungswillen der Parteien behandelte.
[39] Vgl. Gutachten IPG 1999 Nr. 24.

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