Rz. 6

In Abs. 2 ZPO sind im Wesentlichen die bislang in § 850k Abs. 4 ZPO in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung aufgeführten Fälle geregelt. Hierdurch wird i. d. R. auf Schuldnerantrag sichergestellt, dass der Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen (§§ 850a ff. ZPO) auch bei der Pfändung des Guthabens auf dem P-Konto Beachtung findet (BT-Drucks. 19/19850, 43). Das Vollstreckungsgericht kann aber auch zugunsten des Gläubigers auf Antrag einen anderen pfändungsfreien Betrag durch Herabsetzung festsetzen, so z. B. bei Unterhaltsberechtigten mit eigenem Einkommen (vgl. § 850c Abs. 6 ZPO). Ein solcher Antrag kann bereits mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gestellt werden (LG Hagen, JurBüro 2015, 325).

Das Vollstreckungsgericht ist zwingend zuständig, wenn die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen für die Festsetzung erfüllt sind; insoweit kann auf die Kommentierung zu § 905 ZPO (RZ 1-3) verwiesen werden.

 

Rz. 7

Der Pfändungsschutz für den Schuldner nach Abs. 2 begründet keinen generellen Vorrang und verdrängt damit nicht § 765a ZPO (vgl. BVerfG NJW 2014, 3771). § 765a ZPO verfolgt vielmehr eine andere Zielrichtung als § 906 Abs. 2 ZPO; während über das P-Konto automatisch das dortige Guthaben in Höhe des Freibetrages geschützt und somit das Existenzminimum des Schuldners gesichert wird, bezweckt § 765a ZPO den Schutz des Schuldners vor Eingriffen, die im konkreten Fall für diesen eine besondere Härte bedeuten (LG Saarbrücken, VuR 2014, 69). Gerade in den nicht von Abs. 2 erfassten Fällen lässt sich ggf. nur über eine Anwendung von § 765a ZPO erreichen, dass ein Schuldner nicht allein schon deswegen schlechter gestellt wird, weil sein Konto gepfändet ist und nicht der – unpfändbare – Anspruch selbst. Auch der BGH (NJW 2006, 2040 = Rpfleger 2006, 480 = ZVI 2006, 338 = Vollstreckung effektiv 2006, 126; vgl. auch AG Reutlingen, VuR 2018, 478) billigt etwa eine Freigabe "entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k ZPO" von Guthaben, die sich aus zweckgebundenen und damit nach § 851 ZPO unpfändbaren Beträgen ergeben. Es ist daher geboten, entsprechende Defizite des Instituts des P-Kontos unter Heranziehung des § 765a ZPO zu korrigieren (LG Saarbrücken, VuR 2014, 69; zur Corona-Soforthilfe: LG Köln, BeckRS 2020, 6671 = DZWir 2020, 313 = FamRZ 2021, 1053 = JurBüro 2020, 330; vgl. zur individuellen Ergänzungsfunktion des § 765a ZPO auch BGH, NJW 2007, 2703). Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO oder § 258 AO scheidet allerdings aus, wenn ein Schuldner es nicht für nötig erachtet hat, sein bestehendes Zahlungskonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln und sich daher auf eine unzumutbare Härte beruft (BVerfG, Vollstreckung effektiv 2015, 206 = NJW 2015, 3083 = DGVZ 2015, 202).

Aber auch im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Gutschrift auf dem P-Konto verbundenen Zweckbindung kommt eine analoge Anwendung des Abs. 2 in Betracht (zur Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe – Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige" und ergänzendes Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020" analog § 850k Abs. 4 ZPO a. F. vgl. Rz. 8).

 

Rz. 8

Die Regelung nach Abs. 2 hat keinen abschließenden Charakter, wie dies in § 850k Abs. 4 ZPO a. F. der Fall war. Vielmehr wird sichergestellt, dass das Vollstreckungsgericht nicht nur dann einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen kann, wenn eine der in § 850k Abs. 4 ZPO a. F. Vorschriften erfüllt ist, sondern auch dann, wenn sich aus einer bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift eine solche Abweichung ergibt (BT-Drucksache 19/23171, 30; zur Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe – Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige" und ergänzendes Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020" – vgl. BGH, SSK 2021, 21 = NJW 2021, 1322 = JurBüro 2021, 328 = Rpfleger 2021, 366 = DGVZ 2021, 140). Im Einzelnen können daher u. a. folgende Anträge nach der Norm gestellt werden:

  • § 850a ZPO: Feststellung der generellen Unpfändbarkeit einzelner Leistungen.
  • § 850b Abs. 2 ZPO: Pfändung bedingt pfändbarer Einkünfte: Solche Bezüge können gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu keiner vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falls, vor allem nach Art des beizutreibenden Anspruchs und Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.
  • § 850c Abs. 6 ZPO: Wegfall unterhaltsberechtigter Mitverdiener: Hat eine Person, der der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, kann das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.
  • § 850d Abs. 1 ZPO: Begrenzung auf den notwendigen Selbstbehalt des Schuldners und seiner Familie bei der Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche in Arbeitseinkommen. § 850d A...

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