Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung in Unterhaltszahlungen. Vollstreckungszugriff auf an die getrennt lebende Ehefrau gezahlten Kindesunterhalt durch den Kindsvater wegen Forderungen gegen die Kindesmutter

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Elternteil gem. § 1629 Abs. 3 BGB Unterhaltsansprüche des Kindes geltend und zahlt der Unterhaltsschuldner auf ein Konto dieses Elternteils, so kann der Unterhaltsschuldner nicht als Vollstreckungsgläubiger wegen anderer Forderungen gegen den Kontoinhaber auf diesen Zahlungsbetrag vollstreckungsrechtlich Zugriff nehmen.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 3; ZPO §§ 850k, 851

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Beschluss vom 06.12.2004; Aktenzeichen 7 T 422/04)

AG Friedberg (Hessen) (Entscheidung vom 27.09.2004; Aktenzeichen 23 M 1541/04)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Gießen vom 6.12.2004 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des AG Friedberg (Hessen) vom 27.9.2004 wird zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Wert: 3.850 EUR (Wert der zu vollstreckenden Forderung)

 

Gründe

[1]I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung.

[2]Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Vor dem FamG schlossen sie einen Vergleich, nach dem sich der Gläubiger u.a. verpflichtete, für die drei Kinder einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt 863 EUR an die Schuldnerin zu zahlen. Die Schuldnerin verpflichtete sich in dem Vergleich, für die von ihr und den Kindern genutzte Wohnung des Gläubigers an diesen eine Nutzungsentschädigung i.H.v. monatlich 550 EUR zu zahlen.

[3]Wegen rückständiger Nutzungsentschädigung i.H.v. 3.850 EUR erließ das AG auf Antrag des Gläubigers am 19.5.2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin, ein Geldinstitut, gepfändet wurden. Wegen rückständigen Kindesunterhalts für den Zeitraum von November 2002 bis März 2004 zahlte der Gläubiger auf das Konto der Schuldnerin bei der Drittschuldnerin mit Wertstellung zum 2.7.2004 einen Betrag von 4.531,17 EUR. Die Schuldnerin hat daraufhin beantragt, von der Pfändung des Gläubigers in ihr Konto bei der Drittschuldnerin diese Zahlung des Gläubigers freizustellen. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag der Schuldnerin zurückgewiesen.

[4]Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Wiederherstellung des Beschlusses des AG.

[5]II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

[6]1. Das LG ist der Ansicht, dass die Schuldnerin keinen Anspruch auf die beantragte "Freistellung" habe. Der Pfändungsschutz für den rückständigen Unterhalt nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO sei durch Überweisung auf das Konto der Schuldnerin untergegangen. Auch ein Pfändungsschutz nach § 850k ZPO bestehe nicht. Die Vorschrift gelte nur für wiederkehrende Einkünfte der in §§ 850-850b ZPO bezeichneten Art, nicht jedoch für einmalige Leistungen, auch wenn für sie vorher ein Pfändungsschutz in Betracht gekommen sei. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen der allgemeinen Schutzvorschrift des § 765a ZPO nicht vor.

[7]2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Dem Gläubiger ist der vollstreckungsrechtliche Zugriff auf die Kontoforderung der Schuldnerin i.H.v. 4.531,17 EUR verwehrt.

[8]a) Zutreffend ist allerdings die Auffassung des LG, dass der Schuldnerin kein auf §§ 850b Abs. 1 Nr. 2, 850k Abs. 1 ZPO gegründeter Anspruch auf Aufhebung der Pfändung zusteht. Diese Vorschriften schützen unmittelbar nur den Unterhalt des Schuldners selbst als des Empfängers ihm zustehender Renten und rentenähnlicher Bezüge gegenüber einem Vollstreckungszugriff (BGH, Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90 [95] = MDR 1991, 526; Urt. v. 12.10.1987 - II ZR 98/87, MDR 1988, 294 = NJW 1988, 709). Hier stand die Unterhaltsforderung, auf die Zahlung auf das Konto der Schuldnerin erfolgte, jedoch den Kindern der Parteien zu und sollte deren Unterhalt sichern, nicht denjenigen der Schuldnerin.

[9]b) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung eines auf § 765a ZPO gestützten Vollstreckungsschutzes. Die Schuldnerin vermag keine ihre eigenen Unterhaltsinteressen beeinträchtigende Härte geltend zu machen, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre. § 765a ZPO schützt aber nur Belange des Schuldners (Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 765a Rz. 10; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 765a Rz. 11; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rz. 9).

[10]c) Die hier in Rede stehende Kontoforderung ist jedoch, soweit sie die Zahlung auf den Kindesunterhalt betrifft, entsprechend § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 BGB als unpfändbar zu erachten; diese Unpfändbarkeit kann im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden.

[11]aa) Der Gläubiger hat die streitgegenständliche Zahlung auf die im gerichtlichen Vergleich der Parteien niedergelegten Unterhaltsansprüche der Kinder erbracht.

[12]Die Schuldnerin hatte insoweit die Unterhaltsansprüche, gestützt auf die ihr in § 1629 Abs. 3 BGB gewährte Ermächtigung, im eigenen Namen geltend gemacht. Die auf dieser Grundlage auf ihr Bankkonto erfolgte Zahlung - auch wenn sie Unterhaltsrückstände betrifft - unterliegt einer besonderen, treuhandähnlichen Zweckbindung, die sich am Auszahlungsanspruch ggü. dem Kreditinstitut fortsetzt (BGH, Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90 [95] = MDR 1991, 526).

[13]bb) Eine derartige Zweckbindung einer Forderung, die treuhänderischen Charakter hat, kann im Hinblick auf §§ 399 BGB, 851 Abs. 1 ZPO zur Unpfändbarkeit dieser Forderung führen (BGH, Urt. v. 16.12.1999 - IX ZR 270/98, MDR 2000, 477 = NJW 2000, 1270, m.w.N.). Von einer solchen Rechtsfolge ist bei der hier zu beurteilenden Sachgestaltung auszugehen. Die in Ausübung des § 1629 Abs. 3 BGB erlangte Zahlung darf auch als Bestandteil der Kontoforderung der Schuldnerin nur der Zweckbestimmung des Kindesunterhalts dienen.

[14]cc) Die Nichtbeachtung dieser Unpfändbarkeit, die aus der dargestellten Zweckbindung folgt, kann die Schuldnerin unter den hier gegebenen Umständen im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren geltend machen und im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Prüfung stellen. Es kann dahinstehen, ob die Schuldnerin in Ausübung der Ermächtigung des § 1629 Abs. 3 BGB oder als Vertreterin im Namen der Kinder nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auch deren Widerspruchsrechte aus § 771 ZPO geltend machen könnte, die aus einer treuhänderisch gesicherten materiellen Position dieser Kinder resultieren könnten. Die Schuldnerin kann jedenfalls auf diesen Weg nicht verwiesen werden, wenn - wie es hier der Fall ist - die Unpfändbarkeit ggü. dem Gläubiger eingewandt wird, der selbst die Zahlung zu bewirken hatte, die der Erfüllung der gem. § 1629 Abs. 3 BGB verfolgten Unterhaltsforderung diente, und sie auf das Konto der Schuldnerin geleistet hat. In diesem Fall ist es vielmehr gerechtfertigt, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k ZPO die Freistellung des Guthabens zur Sicherung des Unterhaltsinteresses der Kinder von der Pfändung auszusprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1508419

NJW 2006, 2040

BGHR 2006, 999

EBE/BGH 2006, 165

FamRZ 2006, 860

FPR 2006, 452

FPR 2006, 504

FPR 2007, 462

InVo 2006, 397

MDR 2006, 1128

Rpfleger 2006, 480

FamRB 2006, 208

ZFE 2006, 282

ZFE 2006, 393

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