1 Grundsatz – Zweck

 

Rz. 1

Zweck der Vorschrift ist die Regelung der Zwangsvollstreckung zur Erfüllung einer vertretbaren Handlung durch Ermächtigung des Vollstreckungsgläubigers zur Ersatzvornahme (VG Ansbach, Beschluss v. 18.9.2014 – AN 9 V 13.01534 –, juris). Die Bestimmung gibt dem Gläubiger eines Anspruchs auf Vornahme einer vertretbaren Handlung die Möglichkeit, diesen auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Da nach dem modernen Verständnis der Zwangsvollstreckung die Ausübung unmittelbaren Zwanges nicht zulässig ist, wird dem Gläubiger die Ersatzvornahme der vertretbaren Handlung durch einen Dritten auf Kosten des Schuldners ermöglicht (MünchKomm/ZPO-Gruber, § 887 Rn. 1). Die Kosten dieser Ersatzvornahme soll der Gläubiger nicht vorleisten müssen, weshalb er diese in einem besonderen Verfahren beitreiben kann (Abs. 2).

Die Regelung soll einen gerechten Ausgleich zw. dem Interesse des Gläubiger an einer erfolgreichen Vollstreckung einerseits und dem Interesse des Schuldner an einem möglichst geringen Eingriff in seine Rechte andererseits herstellen (BGH, ZIP 2006, 2288 = WM 2006, 2139). Ein solcher Interessenausgleich setzt voraus, dass dem Schuldner, der einen titulierten Anspruch des Gläubigers auf Vornahme einer vertretbaren Handlung nicht erfüllt, die Folgen seines weiteren Untätigbleibens vor Augen geführt werden. Dementsprechend ist der Schuldner vor Erlass einer Entscheidung gem. § 891 Satz 2 ZPO zwingend zu hören.

2 Abgrenzung zur unvertretbaren Handlung

 

Rz. 2

Vertretbare Handlungen sind solche, die von einem Dritten an Stelle des Schuldners selbstständig ohne dessen Mitwirkung vorgenommen werden können (VG Ansbach, Beschluss v. 18.9.2014, AN 9 V 13.01534 – Juris). Der zu vollstreckende Anspruch muss in der Verpflichtung bestehen, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, die weder in einer Geldzahlung noch in der Herausgabe oder Leistung von Sachen (§ 887 Abs. 3 ZPO) oder Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht. Aus Sicht des Gläubigers muss es wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird und vom Standpunkt des Schuldners aus rechtlich zulässig, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt (OLG Koblenz, MDR 2014, 244; OLG Rostock, JurBüro 2009, 162; BGH, NJW 1995, 463 = MDR 1995, 740). Der Schuldner muss sich also bei der Vornahme der Handlung vertreten lassen können, ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubiger hiervon berührt wird (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1768; OLG Bamberg, MDR 1983, 499; OLG Köln, MDR 1975, 586). Nur in engen Grenzen fallen unter die Regelung Rechtsgeschäfte bzw. Erfüllungshandlungen (Stein/Jonas/Brehm, § 887 Rn. 13; OLG Bremen, Beschluss v. 28.5.2014, 4 UF 46/14 – Juris).

 

Rz. 3

Eine als vertretbar anzusehende Handlung kann im Einzelfall aber auch unvertretbar sein, so z. B. kann ein Gläubiger aus einem Vollstreckungstitel, der den Schuldner zur Beseitigung einer baulichen Anlage verpflichtet, nicht verlangen, dass der Schuldner die Namen und Anschriften der Personen bekannt gibt, an die er das zu beseitigende Gebäude vermietet hat. Dementsprechend kann gegen den Schuldner, der sich weigert, die vom Gläubiger nachgefragten Namen und Adressen mitzuteilen, kein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 ZPO festgesetzt werden (BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 87 = MDR 2009, 468 = NZM 2009, 202; LG Hamburg, ZMR 2008, 572).

3 Anwendungsbereich

 

Rz. 4

Die Anwendbarkeit der Norm setzt voraus, dass der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die auch durch einen Dritten vorgenommen werden kann, die somit nicht ausschließlich vom Willen des Schuldner abhängig ist (vgl. Rz. 2; OLG Rostock, JurBüro 2009, 162; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1769). Hierunter fallen Ansprüche auf Sicherheitsleistung, auch wenn die Sicherheit aus einer Geldleistung besteht. Entsprechendes gilt auch für einen Befreiungsanspruch, auch wenn dieser auf eine Geldzahlung gerichtet ist (OLG Köln, InVo 2002, 245; vgl. auch Rz. 8). In einigen Fällen kann nach dem Tenor des Urteils durchaus unklar sein, was im Einzelnen geschuldet wird. Bei der Ermittlung des nach dem Titel Geschuldeten ist aber nicht allein auf den Tenor abzustellen, sondern das Gericht hat auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen und gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Handlungen geschuldet werden und nach welchen Vorschriften die Zwangsvollstreckung zu erfolgen hat (BGH, NJW 1993, 1394 = BauR 1993, 111 = WM 1993, 393). Im Tenor des Urteils müssen nicht die einzelnen Handlungen des Schuldners beschrieben werden, wenn er zur Herbeiführung eines bestimmten Handlungserfolges verurteilt worden ist. Maßgeblich sind nicht die Handlungen, sondern der Handlungserfolg (OLG Düsseldorf, MDR 2002, 1394).

 

Rz. 5

Erfordert die vom Schuldner geschuldete Handlung die Mitwirkung eines Dritten, so kommt eine Vollstreckung nach der Regelung nur dann in Betracht, wenn der Dritte damit einverstanden ist oder gegen ihn ein Duldungstitel vorliegt (OLG Zweibrücken, NJW-RR 1998, 1767). Der Gläubiger hat die notwendige Zustimmung des Dritten bis zum Erlass des Ermä...

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