Rz. 21

Das Prioritätsprinzip der §§ 804 Abs. 3, 832, 850h Abs. 1 Satz 2 ZPO ist auch in den Fällen der Pfändung einer fiktiven Vergütung anzuwenden; die Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst ohne bes. Ausspruch auch den fingierten Teil des Einkommens (BGH, BGHZ 113, 27 = EBE/BGH 1990, 397 = ZIP 1990, 1626 = WM 1990, 2126 = DB 1991, 39 = Rpfleger 1991, 68 = NJW 1991, 495 = JZ 1991, 243 = MDR 1991, 242; LAG Köln, 9.10.1998 – 11 Sa 535/98; a. A. LAG Köln, DB 1988, 2060 und ArbG Lübeck, MDR 1984, 174). Ein Gläubiger, der verschleiertes Arbeitseinkommen nach Abs. 2 gegen den Drittschuldner geltend macht, muss sich vorrangige Pfändungen der Vergütung seines Schuldners entgegenhalten lassen (BAG, ZAP EN-Nr. 1001/94 = NJW 1995, 414; LAG Rheinland-Pfalz, 11.6.2008, 7 Sa 61/08 – Juris). Ein Durchbrechen des Prioritätsprinzips (§§ 804 Abs. 3, 832 ZPO) zugunsten des Gläubigers, der einen Anspruch auf verschleiertes Arbeitseinkommen gerichtlich durchsetzt, findet nicht statt. Entgegen einer vereinzelt vertreten Auffassung (ArbG Lübeck, MDR 1984, 174) kann dem Wortlaut des § 850h ZPO kein Hinweis darauf entnommen werden, dass als Gläubiger nur in Betracht komme, wer den Anspruch auf verschleiertes Arbeitseinkommen gerichtlich durchsetzt. Hiergegen spricht die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts, die auf die zeitliche Reihenfolge der Pfandrechtsentstehung abstellt. Ein nachrangiger Gläubiger kann von dem Drittschuldner erst dann erfolgreich Zahlung verlangen, wenn unter Berücksichtigung des verschleierten Arbeitseinkommens und der tatsächlichen Zahlungen die vorrangigen Pfandgläubiger befriedigt worden wären. Den früher begründeten Pfandrechten kommt die bessere Rangstelle im Verhältnis zu dem nachrangigen Gläubiger nur solange zu, soweit ihr Pfandrecht nicht durch die vom Drittschuldner abzuführenden Beträge als befriedigt anzusehen wäre (BGH, BGHZ 113, 27 = EBE/BGH 1990, 397 = ZIP 1990, 1626 = WM 1990, 2126 = DB 1991, 39 = Rpfleger 1991, 68 = NJW 1991, 495 = JZ 1991, 243 = MDR 1991, 242; a. A. LAG Rheinland-Pfalz, 11.6.2008, 7 Sa 61/08 – Juris, welches fälschlicherweise von einer tatsächlichen Zahlung ausgeht).

 

Rz. 22

Im Drittschuldnerprozess sind somit von den vorrangigen Pfandrechten nicht nur die Beträge abzusetzen, die der vorrangige Gläubiger tatsächlich erhalten hat, sondern auch diejenigen, die nicht an ihn gezahlt worden sind, ihm aber bei richtiger Berechnung des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zustehen. Insoweit nämlich hat die Pfändung das fingierte Einkommen mit umfasst. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass das Pfandrecht des vorrangigen Gläubigers nicht erloschen ist, soweit er keine Zahlung erhalten hat. Sein besserer Rang wird ihm durch die Anrechnung nicht genommen. Sein Recht, nachträglich vom Drittschuldner Zahlung der zu Unrecht nicht an ihn abgeführten Beträge zu verlangen, bleibt unberührt, jedenfalls bis zum Eintritt der Verjährung der gepfändeten Forderung. Hat der Drittschuldner den Teilbetrag entgegen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Schuldner gezahlt, ist diese Zahlung dem Pfändungsgläubiger ggü. unwirksam (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO, §§ 135, 136 BGB).

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