2.1 Allgemeines

 

Rz. 2

Zu schätzen ist der gewöhnliche Verkaufswert der gepfändeten Sache bzw. des gepfändeten Tieres (Abs. 1 Satz 1). Dies ist der Preis, der bei freihändiger Veräußerung normalerweise zu erzielen ist, wobei der Beschaffenheit der Sache, deren Zustand (AG Izehoe, DGVZ 1985, 124), sowie den allgemeinen und den besonderen örtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist (vgl. Zöller/Herget, § 813 Rn. 2). Unerheblich sind ein individueller bzw. ideeller (AG Usingen, DGVZ 1990, 142) Liebhaberwert, sowie weitere ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse.

2.2 Schätzung bei Pfändung durch den Gerichtsvollzieher (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 3

Die Schätzung ist grds. vom Gerichtsvollzieher bei der Pfändung vorzunehmen und in das Protokoll einzutragen (§§ 762 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, §§ 86, 100 Abs. 3, 102 Abs. 4 GVGA). Hat der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung das Pfandstück bereits auf seinen gewöhnlichen Verkaufswert geschätzt, so liegt es allerdings in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ein nachträglich vorgelegtes Gutachten eines Sachverständigen für eine Neufestsetzung des Wertes zugrunde zu legen (AG Charlottenburg, DGVZ 1994, 156).

Zur Schätzung darf der Gerichtsvollzieher einen Sachverständigen grds. nur in den Fällen des Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 4 ZPO hinzuziehen (LG Konstanz DGVZ 1994, 140; AG Augsburg, DGVZ 2013, 21; a. A. Pawlowski ZZP 1990 [1977], 345, 367; siehe auch Paschold DGVZ 1995, 52; vgl. §§ 100, 102 GVGA). Vorzugswürdig ist jedoch die Gegenmeinung, die dem Gerichtsvollzieher stets ein pflichtgemäßes Ermessen einräumt, ob er einen Sachverständigen hinzuzieht oder nicht (Mümmler, DGVZ 1973, 81; Pawlowski, ZZP 1977, 345).

 

Rz. 4

Ausnahmsweise ist es in entsprechender Anwendung nach Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 190 Abs. 3 GVGA geboten, eine Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch einen von ihm auf Kosten des Schuldners beauftragten Sachverständigen auch bei einer Herausgabevollstreckung gem. § 883 ZPO zuzulassen, wenn anderenfalls die Vollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird. Das gebietet das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Recht des Gläubigers auf effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1425) und sein durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Schutz des Eigentums (BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 39 = DGVZ 2018, 141).

 

Rz. 5

Ist der Wert des zu pfändenden Gegenstandes (hier Pkw) allerdings aufgrund seiner individuellen Beschaffenheit nicht durch Zuhilfenahme von Listen (z. B. "Schwacke-Liste") zu schätzen, so darf der Gerichtsvollzieher von einer Schätzung Abstand nehmen und die Wertermittlung von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängig machen. Der Gerichtsvollzieher darf zur Einholung eines solchen Gutachtens ohne einen entsprechenden Antrag des Gläubigers und einen entsprechenden Beschluss des Gerichts jedoch keinen Vorschuss vom Gläubiger anfordern (AG Sinzig, DGVZ 1995, 62). Ist eine Schätzung bei Pfändung nicht möglich, ist diese unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nachzuholen und das Ergebnis den Parteien mitzuteilen.

2.3 Schätzung von Kostbarkeiten (Abs. 1 Satz 2)

 

Rz. 6

Die Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten soll einem Sachverständigen übertragen werden. Kostbarkeiten sind Sachen, die im Verhältnis zu ihrer Größe einen besonders hohen Wert besitzen (AG Schöneberg, DGVZ 2009, 45 m. w. N.), wie z. B. Münzen (OLG Köln, NJW 1992, 50) oder Kunstwerke (OLG Köln, VersR 1998, 1376). Sofern es sich um Gold- und Silbersachen handelt, ist sowohl der Gold- und Silberwert (vgl. § 817a Abs. 3 ZPO) als auch der gewöhnliche Verkaufswert zu schätzen. Hierzu zählt auch vorgefundenes Geld, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Marktwert des gepfändeten Geldes nicht unerheblich über seinem Nennwert liegt. Deswegen ist bei der Pfändung von Geldrollen besondere Vorsicht geboten, wenn es sich hierbei um eine wertvolle Münzsammlung handeln könnte (OLG Köln, NJW 1992, 50).

 

Rz. 7

Ob eine Kostbarkeit vorliegt, beurteilt der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Köln Rpfleger 1998, 352; OLG Posen, DGVZ 1905, 186 und RG DGVZ 1929, 293 zum alten Recht). Ergeben sich hierfür bei pflichtgemäß vorgenommener Prüfung ausreichende Anhaltspunkte, so hat der Gerichtsvollzieher einen Sachverständigen hinzuzuziehen (OLG Köln, VersR 1991, 1000). Bloße Zweifel über das Vorliegen einer Kostbarkeit lösen allerdings eine dahingehende Verpflichtung noch nicht aus. Ebenso wenig leitet sich daraus, dass unter den gepfändeten Gegenständen einzelne Gegenstände unzweifelhaft eine Kostbarkeit sind, die Verpflichtung her, sämtliche Gegenstände einer sachverständigen Prüfung zu unterziehen. Vielmehr ist bei jedem gepfändeten Gegenstand das Vorliegen einer Kostbarkeit selbstständig zu prüfen (OLG Köln, Rpfleger 1998, 352).

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Kostbarkeiten dem Gerichtsvollzieher die erforderliche Sachkunde zur Wertermittlung dieser Gegenstände fehlt und aus diesem Grund i. d. R. ein Sachverständiger beauftragt werden soll. Der Grund liegt darin, dass die Schätzung solcher Gegenstände intensivierte und spezialisierte Ware...

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