Rz. 60

Nicht alle materiell-rechtlichen Einwendungen kann der Vollstreckungsschuldner im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage mit Erfolg vorbringen. Nach § 767 Abs. 2 ZPO können Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage nur insoweit erhoben werden, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den gesetzlichen Vorschriften spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 31.3.2017, 13 Ta 71/16, juris; VG Leipzig v. 12.9.2014, 3 L 289/14). Sind die Gründe, auf denen eine Einwendung beruht, bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden, in der die Einwendung hätte erhoben werden müssen, ist die Einwendung für das Verfahren nach § 767 ZPO danach in jedem Falle präkludiert (BGH, Urteil v. 1.12.2011, IX ZR 56/11). Sind die Gründe vor diesem Zeitpunkt entstanden und wird die Rechtswirkung der Einwendung erst durch eine Willenserklärung ausgelöst, ist allerdings der Zeitpunkt maßgeben, in dem die Willenserklärung objektiv abgegeben werden konnte (OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.4.2016, 7 U 92/15, juris im Anschluss an BGHZ 155, 392). Zur Begründetheit der Klage und damit zu seinem Obsiegen führen nur solche Einwendungen, die in einem früheren Verfahren noch nicht geltend gemacht werden konnten (BGH, NJW 2001, 231). Sofern es dem Vollstreckungsschuldner möglich war, sich schon in einem solchen Verfahren auf die Einwendung zu berufen, verdient er keinen Schutz (mehr), wenn er sie (damals) trotzdem nicht erhob. Die Präklusion hängt davon ab, ob es sich bei dem Vollstreckungstitel um ein Urteil, eine andere gerichtliche Entscheidung oder einen sonstigen Titel (vollstreckbare Urkunde, Prozessvergleich) handelt. Sie kann nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG, d. h. nach Nichtigerklärung einer Norm durch das BVerfG, überwunden werden (OLG Stuttgart, NJW 1996, 1683 = InVo 1996, 297; Besprechung Melzer, NJW 1996, 3192). Die Bestimmung des § 79 Abs. 2 BVerfGG allerdings ist nicht anwendbar auf die Fälle, in denen die angegriffene rechtskräftige Entscheidung auf der rechtswidrigen Auslegung einer Norm beruht (OLG Stuttgart a. a. O.). Hält man eine eigenständige Vollstreckungs- oder Titelgegenklage gegen die Zwangsversteigerung neben einer solchen gegen die Zwangsvollstreckung an sich für zulässig, so ist der Kläger mit seinen im letzteren Verfahren bereits geltend gemachten Einwendungen entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert (BGH, Beschluss v. 29.1.2015, V ZR 93/14, juris). Nachträgliche Gründe i. S. d. § 767 Abs. 2 ZPO sind im Fall des § 18 Abs. 1 WEG nicht gegeben (ZMR 2018, 246).

 

Rz. 61

Bei einem Urteil kommt es zunächst für den maßgeblichen Zeitpunkt darauf an, ob es nach einer mündlichen Verhandlung oder ohne eine solche ergangen ist. Bei Urteilen nach mündlicher Verhandlung ist maßgeblicher Zeitpunkt der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz. Damit scheidet die Revisionsinstanz aus, da in ihr keine neuen Tatsachen materiell-rechtlicher Bedeutung vorgetragen werden können. Aber auch dann, wenn die Einwendungen in der Revisionsinstanz ausnahmsweise hätten vorgebracht und berücksichtigt werden können, sind sie nicht ausgeschlossen, wenn sie auf Gründen beruhen, die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind (BGH, NJW 1998, 2972). Solange der Schuldner nur aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Titels zahlt, tritt eine Tilgung (§ 362 Abs. 2 BGB) nicht ein, weil dann anzunehmen ist, dass die Zahlungen nur unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erfolgen. Im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage ist der Schuldner daher mit dem Einwand derartiger Zahlungen nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (OLG München, MDR 2010, 1086). Der Bürge kann seine Vollstreckungsabwehrklage darauf stützen, die verbürgte Hauptforderung sei nach seiner rechtskräftigen Verurteilung verjährt (BGH, WM 1998, 2540; zugleich eine Bestätigung von BGH, NJW 1998, 2972). Erfolgt das Urteil ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren, bestimmt das Gericht den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können und der damit dem der letzten mündlichen Verhandlung entspricht (§ 128 ZPO). Bei einer Entscheidung nach Lage der Akten (§ 251a ZPO) ist der Termin maßgebend, an dem die Parteien nicht erschienen waren. Beim Versäumnisurteil ist der Ablauf der Einspruchsfrist maßgebend.

 

Rz. 62

Die Einwendung muss vor dem genannten Zeitpunkt entstanden sein. Der Entstehungszeitpunkt des Einwands ist allein nach objektivem Recht zu bestimmen; es kommt daher nicht darauf an, ab wann die Partei die entsprechenden Tatsachen kannte oder hätte erkennen können (BGH, NJW 2001, 231). Die Wirkung der Präklusion greift demnach nur dann ein, wenn die objektive Möglichkeit bestand, die Einwendung im Vorprozess geltend zu machen; auf die Kenntnis oder schuldhaft...

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