Leitsatz (amtlich)

1. Solange der Schuldner nur aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Titels zahlt, tritt eine Tilgung (§ 362 Abs. 2 BGB) nicht ein, weil dann anzunehmen ist, dass die Zahlungen nur unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erfolgen.

2. Im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO ist der Schuldner mit dem Einwand derartiger Zahlungen daher nicht gem. § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 22.03.2010; Aktenzeichen 1 O 6222/09)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der ersten Zivilkammer des LG München II vom 22.3.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.688,90 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der im vorliegenden Verfahren erhobenen Vollstreckungsgegenklage begehrt die Klägerin die Einstellung der Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen sie aus dem Urteil des LG München II vom 12.5.2004 im dortigen Verfahren (...).

Hierzu trägt die Klägerin vor, die titulierten Ansprüche des Beklagten seien zwischenzeitlich erfüllt worden, gleichwohl betreibe der Beklagte gegen die Klägerin weiterhin die Zwangsvollstreckung. Der Beklagte begehrt Klageabweisung mit der Begründung, es stünden noch 9.486 EUR zur Zahlung aus, die dem Grunde und der Höhe nach zu Recht vollstreckt würden. Mit Schriftsatz vom 2.2.2010 hat der Beklagte beantragt, ihm für das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Diesen Antrag hat das LG durch den Einzelrichter der 1. Zivilkammer mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.3.2010 (Bl. 16 d.A.) zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Im Einzelnen wird auf die Beschlussbegründung verwiesen. Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 24.3.2010 zugestellten Beschluss hat dieser mit am 6.4.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 31.3.2010 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 17 d.A.). Mit Beschluss vom 25.5.2010 (Bl. 22 d.A.) hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Nach derzeitiger Aktenlage ist die Klage begründet gem. § 767 Abs. 1 ZPO. Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, weshalb gem. § 114 ZPO das LG Prozesskostenhilfe zu Recht nicht zugesprochen hat.

1.a) Trotz der ergänzenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung (Bl. 2 = Bl. 18 d.A.) sind die klägerseits geltend gemachten Zahlungen gemäß Anlage K 9 und der hieraus resultierende Saldo zugunsten der Klägerin durch die Beklagtenseite nicht hinreichend substantiiert bestritten worden. Ausweislich der Beschwerdebegründung will der Beklagte an Zahlungen auf die Hauptforderung lediglich einen Betrag von 80.000 EUR gelten lassen. Die demgegenüber ausweislich der klägerischen Anlagen K 6, K 7 und K 8 hinreichend belegten Zahlungen i.H.v. 12.782,30 EUR gemäß Kontoauszug der Klägerin vom 11.2.2002, von 15.259,79 EUR gemäß Kontoauszug der Klägerin vom 28.3.2002 und von 80.488,80 EUR gemäß Kontoauszug der Klägerin vom 10.8.2005 hätten es auf der Beklagtenseite erforderlich gemacht, substantiiert hierzu Stellung zu nehmen, insbesondere Kontoauszüge vorzulegen, die die angebliche Zahlung der Klägerseite widerlegen. Anhaltspunkte dafür, weshalb es dem Beklagten nicht möglich gewesen sein sollte, eigene Kontoauszüge oder solche seiner Rechtsvorgängerin vorzulegen, sind in keiner Weise dargestellt worden und auch sonst nicht ersichtlich.

b) Für die Entscheidung über die begehrte Prozesskostenhilfe ist daher von dem Saldo gemäß klägerischer Aufstellung gemäß Anlage K 9 auszugehen, so dass ein Anspruch der Beklagtenseite, der noch vollstreckt werden dürfte, nicht (mehr) besteht.

2. Die Klägerin ist auch nicht gem. § 767 Abs. 2 ZPO gehindert, diese Zahlungen geltend zu machen.

a) Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Zahlungen jedenfalls teilweise schon vor dem in § 767 Abs. 2 ZPO bezeichneten Zeitpunkt - indessen nach Erlass des Teil-Versäumnisurteils vom 9.1.2002 (Anlage K 1) - erfolgt sind.

b) Dies ist jedoch für den Erfolg der Vollstreckungsgegenklage entgegen der Auffassung der Beklagtenseite unschädlich. Soweit nämlich Zahlungen vor dem Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Tatsachenverhandlung erbracht wurden, sondern nach Erlass des Teil-Versäumnisurteils, also aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, ist eine Tilgung i.S.d. § 362 Abs. 2 BGB, die schon bei Erlass des landgerichtlichen Urteils vom 12.5.2004 (Anlage K 2) hätte berücksichtigt werden können, nicht eingetreten. Solange nämlich der Schuldner wie hier nur aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Titels zahlt, tritt eine Tilgung deshalb nicht ein, weil dann anzunehmen ist, dass der Schuldner nur unter dem Vorbehalt einer Rückforderung zahlt. Derartige Zahlungen lassen zwar den Verzug entfallen (BGH, Urt. v. 24.6.1981 - IV a ZR 104/80, WM 1981, 1052, Juris Rz. 28 ff.). ...

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