Rz. 36

Bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses für die Vollstreckungsabwehrklage ist bedeutsam, innerhalb welchen Zeitraums diese zulässig ist. Immer kommt es aber auch darauf an, ob es für den Schuldner einen einfacheren und kostengünstigeren Weg gibt, die Vollstreckbarkeit des Titels im Einzelfall zu beseitigen. Das Rechtsschutzinteresse ist grundsätzlich gegeben, sobald eine Zwangsvollstreckung ernstlich droht bis zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers. Es besteht nach Einleitung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger auch dann, wenn der Titel einen offensichtlichen Schreibfehler enthält (OLG München, InVo 1998, 164). Es fehlt, wenn die Zwangsvollstreckung unzweifelhaft nicht beabsichtigt ist (OLG Frankfurt/Main, MDR 1988, 241), unzweifelhaft nicht mehr droht (OLG Hamm, Urteil v. 23.6.2016, I-5 U 157/15, juris) und wenn sie nicht möglich ist, wie z. B. nach Eintritt der Rechtskraft eines auf Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 Abs. 1 ZPO) lautenden Urteils (HansOLG Hamburg, MDR 1998, 1051 = InVo 1999, 154). Wann dies der Fall ist, ist stets eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Tatfrage (BGH, Beschluss v. 15.12.2011, IX ZR 230/09, juris). Zusammen mit anderen Indizien kann bei der Vollstreckung von verjährten Forderungen dann angenommen werden, dass die Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht, wenn die Beklagte ihren Zwangsvollstreckungsantrag auf die nicht verjährten Forderungsteile beschränkt haben (OLG Hamm a. a. O.). Solange der Gläubiger den Vollstreckungstitel unverändert in den Händen hält (Saarländische Oberlandesgericht, OLGR 2009, 663), wird eine Vollstreckungsabwehrklage nicht wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses teilweise unzulässig, wenn der Beklagte, der bei Klageerhebung die Zwangsvollstreckung uneingeschränkt betrieb, in einem späteren Prozessschriftsatz erklärt, er sei inzwischen teilweise befriedigt und verzichte auf die weitere Vollstreckung (BGH, NJW 1992, 2148). Das Rechtsschutzbedürfnis einer während eines laufenden, aufgrund einer Sicherungsgrundschuld betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens erhobenen Vollstreckungsabwehrklage – die auf die Verjährung eines Teils der Grundschuldzinsen gestützt wird – kann ausnahmsweise zu verneinen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gläubiger nicht wegen der verjährten Zinsen vollstreckt. Es müssen darüber hinaus Indizien vorliegen, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss zulassen, dass die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich zu prozesszweckfremden Zielen erfolgt (BGH, Beschluss v. 2.2.2017, IX ZA 15/16, juris; Beschluss v. 9.2.2017, V ZR 154/16, juris; WM 2016, 2381). Für einen Vollstreckungsabwehrantrag besteht jedenfalls dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn der Gläubiger den Titel bereits herausgegeben hat (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 27.6.2017, 10 UF 138/16, juris).

  1. Einer vom Schuldner bei nicht beendeter Zwangsvollstreckung wegen Zahlungen, die er nach dem in § 767 Abs. 2 ZPO genannten Zeitpunkt auf die titulierte Forderung geleistet hat, erhobenen Vollstreckungsabwehrklage fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil er nach § 775 Nr. 5 ZPO beim Vollstreckungsgericht eine Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen könnte. Die einstweilige Einstellung macht eine abschließende Entscheidung darüber, ob die Vollstreckungsforderung erloschen ist, so lange nicht entbehrlich, wie der Gläubiger nicht in der Form des § 843 ZPO auf seine Rechte aus der Pfändung verzichtet hat (Rn. 21).
  2. Ein Antrag nach § 775 Nr. 5 ZPO ist insbesondere dann kein das Rechtsschutzinteresse für eine Klage nach § 767 ZPO infrage stellender "einfacherer und billiger Weg", wenn wegen einer weiteren Zahlung, die der Schuldner aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes an dieses auf die titulierte Forderung geleistet hat, die Erfüllungswirkung streitig ist (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss v. 26.4.2016, 1 W 10/16, juris). Wurde ein Vollstreckungstitel bereits mit der Berufung angefochten, so fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für eine gleichzeitige Vollstreckungsabwehrklage (LG Köln, Urteil v. 8.10.2015, 2 O 275/15, juris).
 

Rz. 37

Die bloße Erklärung des Titelgläubigers, er vollstrecke in Höhe des Teilbetrags nicht mehr, beseitigt nicht das Rechtsschutzinteresse an einer Vollstreckungsabwehrklage (OLG Hamm, WRP 1992, 195). Ist eine titulierte Forderung teilweise erloschen, fehlt für eine Vollstreckungsabwehrklage das Rechtsschutzinteresse nur, wenn in diesem Umfang eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falls unzweifelhaft nicht mehr droht (BGH, MDR 1989, 44). Für die Vollstreckungsabwehrklage besteht ein Rechtsschutzinteresse so lange, bis tatsächlich eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG erfolgt ist. Die Einreichung der Berufung und Stellung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung als solche lassen das Rechtsschutz...

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