Rz. 6

Befinden sich die Gegenstände, für die entweder die Vermutung des § 1362 Abs. 1 Satz 1 BGB oder diejenige des § 1362 Abs. 2 BGB bzw. diejenige des § 8 Abs. 1 Satz 1 LPartG spricht, zum Zeitpunkt der Vollstreckung im Besitz eines der Ehegatten bzw. Lebenspartner, so wird im Hinblick auf die §§ 808, 883 ZPO vermutet, dass der Ehe- bzw. Lebenspartner, der Vollstreckungsschuldner ist, alleiniger Gewahrsamsinhaber ist. Die Vermutung ist im Vollstreckungsverfahren nicht widerlegbar (h. M. OLG Celle, InVo 2000, 57; MünchKomm/ZPO-Heßler, § 739 Rn. 10 m. w. N. auch auf die gegenteiligen Auffassungen). Wenn der Ehemann der Schuldnerin ein Einzelhandelsgeschäft (hier: Fischgeschäft) nicht erkennbar allein und im Alleinbesitz betreibt, sondern mit Beteiligung bzw. Mitbesitz der Schuldnerin, kommt die Gewahrsamsvermutung gem. § 739 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 1362 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Tragen (AG Wesel JurBüro 2018, 434).

 

Rz. 7

Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen Ehegatten bzw. Lebenspartner hat der Gerichtsvollzieher lediglich zu prüfen, ob mindestens einer der Ehegatten bzw. Lebenspartner (gleichgültig, ob der Vollstreckungsschuldner oder der andere Ehegatte bzw. Lebenspartner) Gewahrsam an der Sache hat. Er darf die Pfändung oder Wegnahme der Sache nicht deshalb ablehnen, weil die zu pfändende oder wegzunehmende Sache sich nicht im Alleingewahrsam des Schuldners, sondern im (Mit-)Gewahrsam des anderen Ehegatten bzw. Lebenspartners befindet (§ 95 Abs. 1 GVGA). Wendet einer der Ehegatten bzw. der Lebenspartner ein oder ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute bzw. Lebenspartner getrennt leben und die zu pfändende Sache im Gewahrsam des nicht schuldenden Ehegatten bzw. Lebenspartners ist oder die Sache ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des nicht schuldenden Ehegatten bzw. Lebenspartners bestimmt ist und sich in dessen (Mit-)Gewahrsam befindet, hat der Gerichtsvollzieher diese Umstände in eigener Verantwortung zu prüfen. Nur wenn er feststellen kann, dass der schuldende Ehegatte bzw. Lebenspartner nicht als Gewahrsamsinhaber anzusehen ist, hat er die Sache nicht zu pfänden.

 

Rz. 8

§ 739 ZPO kann dazu führen, dass dieselbe Sache für einen Gläubiger des Mannes bzw. eines Lebenspartners und einen solchen der Frau bzw. des anderen Lebenspartners aus verschiedenen Titeln rechtmäßig gepfändet wird. Die Vermutung gilt immer nur für den jeweiligen Vollstreckungsakt. Den Gläubigern bleibt gelegentlich der Auseinandersetzung untereinander über den Vorrang und die Verteilung im Zweifel die Möglichkeit, nach § 771 ZPO vorzugehen oder ihre Rechte im Verteilungsverfahren, gegebenenfalls nach § 858 ZPO, geltend zu machen.

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