Leitsatz

Zur Rechtsposition eines Mieters, der ein Ladenlokal in einem erst zu erstellenden Einkaufszentrum gemietet hat, wenn dieses nach der Eröffnung nicht in der erwarteten Weise von den Kunden angenommen wird.

 

Fakten:

Der Vermieter eines Einkaufszentrums bot dem Mieter unter Vorlage von Grundrisszeichnungen und eines Standortprospektes Geschäftsräume in dem damals erst noch zu erstellenden Einkaufszentrum an. Der Prospekt enthielt u.a. die Angabe, es führe eine überdachte Straße von den Parkplätzen in das neue Einkaufszentrum. Es handle sich um einen Standort, der den Erfolg des Einkaufszentrums garantiere. Der Mieter des Fachgeschäfts für Dessous geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die er darauf zurückführte, dass der Vermieter Zusagen über die günstige Verkehrsanbindung, Vollbelegung des Einkaufszentrums nicht eingehalten hatte. Auch habe der Vermieter die versprochene überdachung nicht hergestellt. Der Mieter kündigte das auf 10 Jahre befristete Mietverhältnis fristlos wegen schwerwiegender Mietmängel. Hilfsweise verlangt er die sofortige Auflösung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Der Vermieter hält die Kündigung für unwirksam. Das Landgericht hatte die Kündigung für unwirksam, das Oberlandesgericht für wirksam gehalten.

Die Kündigung ist unwirksam. Das Recht zur fristlosen Kündigung (§ 542 BGB) setzt voraus, dass die Mietsache mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit für den vorgesehenen Zweck entscheidend beeinträchtigt oder dass ihr eine besonders zugesicherte Eigenschaft fehlt. Zwar kann die Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal einen Mietmangel begründen. Ein Mietmangel liegt nur bei einer unmittelbaren Beeinträchtigung bzw. einer unmittelbaren Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache vor.

Das Ladenlokal ist auch ohne überdachten Zuweg beschwerdefrei und ungehindert zu erreichen. Auch die unvollständige Vermietung des Einkaufszentrums begründet keinen Mietmangel. Dem Mietobjekt fehlt auch nicht eine zugesicherte Eigenschaft wegen der unzureichenden Vermietung des Einkaufszentrums. Als Eigenschaften kommen zwar auch die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Mietgegenstandes zu seiner Umwelt in Betracht, die für die Brauchbarkeit und den Wert des Mietobjekts von Bedeutung sind. Diese Beziehungen müssen jedoch ihren Grund in der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst haben, von ihm ausgehen, ihm auch für eine gewisse Dauer anhaften. Die Vollvermietung haftet dem Mietobjekt nicht auf Dauer an. Auch die überdachung des Zugangs zum Einkaufszentrum hat mit der Mietsache selbst nichts zu tun.

Der Vertrag ist hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben. Dafür ist grundsätzlich kein Raum, wenn es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Gewerberaummieter trägt grundsätzlich der Mieter das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Diese Risikoverteilung ändert sich nicht dadurch, dass das vermietete Geschäft in einem Einkaufszentrum liegt.

Wie auch in anderen Geschäftslagen fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Allein der Umstand, dass auch der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts ausgeht, verlagert das Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht vom Mieter auf den Vermieter.

Es liegt auch keine vertragliche Risikoübernahme durch den Vermieter vor. Der Vertrag muss konkrete Anhaltspunkte für eine Risikoübernahme durch den Vermieter enthalten. Entscheidend ist insoweit, ob der Vermieter durch die Begründung eines Gesamtkonzeptes, in das die einzelnen Mieter vertraglich eingebunden werden, eine Gesamtverkaufsstrategie entwickelt, mit der er ein eigenes unternehmerisches Risiko für alle Einzelgeschäfte übernimmt. Das liegt hier nicht vor. Der Vermieter hat hier das unternehmerische Risiko nicht im Wege einer vertraglichen Garantiezusage bzw. Garantieerklärung übernommen. Die Zusage im Standortprospekt reicht dazu nicht aus.

Der Mieter hat hier auch keinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss. Der Vermieter hat seine vorvertragliche Aufklärungspflicht nicht schuldhaft verletzt, als er unzutreffende Informationen in Bezug auf das Mietobjekt erteilt hat.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 16.02.2000, XII ZR 279/97

Fazit:

Der BGH entscheidet interessengerecht, selbst wenn die Begründungen auch eine gegenteilige Entscheidung tragen könnten. Nur in dem Fall, dass der gewerbliche Vermieter das unternehmerische Risiko des Mieters vertraglich übernommen hat, kann der Mieter Rechte daraus ableiten. Prospektzusagen reichen hierfür nicht aus.

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