Zusammenfassung

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung unterbreiten Unternehmen ihre Angebote immer häufiger in digitaler Form, sodass viele Verträge elektronisch geschlossen werden. Doch was bedeutet das für die wirksame Vereinbarung von Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen?

Im internationalen Rechtsverkehr sind Vereinbarungen über den Gerichtsstand von entscheidender Bedeutung. Der nach dem Gesetz geltende Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien ist nicht immer günstig und ggf. fallen sogar anwendbares Recht und Gerichtsstand auseinander, sodass z.B. ein italienisches Gericht deutsches Recht anwenden müsste. Um das zu vermeiden, sollte man nicht nur das anwendbare Recht, sondern auch den Gerichtsstand vertraglich vereinbaren. Im digitalen Zeitalter stellt sich nun die Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltene Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart werden kann, wenn der schriftliche Vertrag einen Hyperlink zu einer Webseite enthält, auf der die AGB abrufbar sind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung zu dieser praxisrelevanten Frage Stellung genommen.

Kurzwiedergabe des Sachverhaltes

Dem vom EuGH entschiedenen Fall lag ein Rechtsstreit zwischen der Tilmann SA (im Folgenden: "Tilmann") mit Sitz in Belgien und der Unilever Supply Chain Company AG (im Folgenden: "Unilever") mit Sitz in der Schweiz zugrunde. Tilmann verklagte Unilever vor den belgischen Gerichten auf Zahlung. Unilever rügte daraufhin die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, da die im Vertrag enthaltenen AGB allein die Zuständigkeit der englischen Gerichte vorsahen. Nachdem sich das erstinstanzliche belgische Gericht für zuständig erklärt hatte, gab das Berufungsgericht, die Cour d’appel de Liège, der Unzuständigkeitseinrede von Unilever statt und stellte fest, dass die belgischen Gerichte wegen der in den AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel für die Entscheidung über den Rechtsstreit nicht zuständig seien.

Gegen dieses Urteil ging Tilmann in die Revision zum belgischen Kassationshof (Cour de Cassation) und machte einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 lit. a) und Abs. 2 des LugÜ 2007 (Luganer Übereinkommen) geltend. Es habe ein Feld zum Anklicken gefehlt, mit dem der Geltung der AGB hätte zugestimmt werden können. Dies sei nicht rechtmäßig.

Die Cour de Cassation stellte sich die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 lit. a) und Abs. 2 des LugÜ 2007 dahingehend auszulegen sei, dass eine in AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart ist, wenn ein schriftlich abgeschlossener Vertrag mit einem Hyperlink auf eine Website verweise, auf der die AGB abrufbar sind und gespeichert werden können, ohne dass der Vertragspartner aufgefordert worden wäre, die AGB durch Anklicken eines Feldes auf dieser Website zu akzeptieren. Da diese Frage zur Auslegung des Luganer Übereinkommens allein in die Entscheidungskompetenz des EuGH fällt, hat die Cour de Cassation das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt.

Das Urteil des EuGH vom 24.11.2022, C-358/21

Der EuGH beantworte die Frage der Cour de Cassation zur Auslegung von Art. 23 Abs. 1 lit. a) und Abs. 2 des LugÜ 2007 wie folgt:

Bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des LugÜ 2007 (jetzt: Art. 17 LugÜ) sei die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel I-VO (jetzt: Brüssel Ia-VO) durch den EuGH zu berücksichtigen, denn diese sind identisch mit Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 der Brüssel I-VO / EuGVVO a.F. (jetzt: Art. 25 Abs. 2 EuGVVO Brüssel Ia-VO / EuGVVO).

Nach Art. 17 LugÜ können die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, vereinbaren, dass ein Gericht eines anderen Staates des Übereinkommens über eine aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entstandene Rechtsstreitigkeit entscheiden soll. Gem. Art. 17 Abs. 1 lit. a) LugÜ muss eine Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden.

Der EuGH hat entschieden, dass die in Art. 25 EuGVVO aufgestellten Voraussetzungen eng auszulegen sind. Art. 25 Abs. 1 EuGVVO macht die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel von einer "Vereinbarung" der Parteien abhängig. Das angerufene Gericht muss somit prüfen, ob die seine Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war. Die Formerfordernisse des Art. 25 Abs. 1 EuGVVO sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht.

Nach Art. 23 Abs. 2 LugÜ 2007, der Art. 25 Abs. 2 EuGVVO entspricht und zur Berücksichtigung neuer Kommunikationstechniken eingefügt worden war, gilt: Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.

Bei einem auf elektronischem Wege geschlossenen Kaufvertrag liegt nach der Rechtsprechung des EuGH eine für die wirksame Einbeziehung Allgem...

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