Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Lugano-II-Übereinkommen. Gerichtsstandsklausel. Formerfordernisse. Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die über einen in einem schriftlichen Vertrag angegebenen Hyperlink eingesehen und ausgedruckt werden können. Willenseinigung der Parteien

 

Beteiligte

Tilman

Tilman SA

Unilever Supply Chain Company AG

 

Tenor

Art. 23 Abs. 1 und 2 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde,

ist dahin auszulegen, dass

eine Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart ist, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, auf die ein schriftlich abgeschlossener Vertrag durch Angabe des Hyperlinks zu einer Website hinweist, über die es möglich ist, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, herunterzuladen und auszudrucken, ohne dass die Partei, der diese Klausel entgegengehalten wird, aufgefordert worden wäre, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Anklicken eines Feldes auf dieser Website zu akzeptieren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) mit Entscheidung vom 20. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 2021, in dem Verfahren

Tilman SA

gegen

Unilever Supply Chain Company AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und J. Passer,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Tilman SA, vertreten durch die Rechtsanwälte N. Cariat, A. Hoc und B. Hoc,
  • der Unilever Supply Chain Company AG, vertreten durch W. van Eeckhoutte, Advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und M. van Regemorter als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl, M. Hellmann und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der Schweizer Regierung, vertreten durch N. Marville-Dosen und J. Schickel-Küng als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Azéma und S. Noë als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde (ABl. 2009, L 147, S. 1, im Folgenden: Lugano-II-Übereinkommen).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Tilman SA mit Sitz in Belgien und der Unilever Supply Chain Compagny AG (im Folgenden: Unilever) mit Sitz in der Schweiz darüber, dass Unilever von Tilman in Rechnung gestellte Beträge nicht gezahlt hat.

Rechtlicher Rahmen

Lugano-II-Übereinkommen

Rz. 3

Das Lugano-II-Übereinkommen bindet die Europäische Gemeinschaft, das Königreich Dänemark, die Republik Island, das Königreich Norwegen und die Schweizerische Eidgenossenschaft.

Rz. 4

Art. 1 Abs. 3 dieses Übereinkommens lautet:

„In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck ‚durch dieses Übereinkommen gebundener Staat’ jeden Staat, der Vertragspartei dieses Übereinkommens oder ein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist. Er kann auch die Europäische Gemeinschaft bezeichnen.”

Rz. 5

Art. 23 („Vereinbarung über die Zuständigkeit”) des Übereinkommens bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„(1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden

  1. schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,
  2. in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder
  3. im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspri...

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