Mit Erfolg! Die Beschlüsse seien nach einer Auslegung zwar hinreichend bestimmt. Die Wohnungseigentümer hätten aber § 4 BDSG nicht berücksichtigt. Der Beschluss zum Treppenhaus erschöpfe sich darin, es solle eine Videokamera installiert werden. Zum Müllbehälterraum heiße es zwar, es ginge darum, ein "Abschreckungspotenzial" aufzubauen. Dieser Zweck finde in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BDSG aber keine Stütze. Es bestünden außerdem Anhaltspunkte, dass schutzwürdige Interessen der von der Videoüberwachung Betroffenen überwögen. Es sei schlichtweg nicht verhältnismäßig und mit den verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen nicht zu vereinbaren, wenn die Benutzer der Müllentsorgungsanlagen durch die Video-Überwachung gleichsam "diszipliniert" werden sollen, ihren Müll ordnungsgemäß zu entsorgen.

Hinweis

Im Fall geht es um die Frage, wann die Videoüberwachung des gemeinschaftlichen Eigentums zulässig ist. Diese Frage ist, anders als vom Gericht angenommen, an Art. 6 DSGVO zu messen. § 4 BDSG ist nicht anwendbar (BVerwG, Urteil v. 27.3.2019, 6 C 2/18, Rz. 47). Die Verarbeitung ist danach nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
  • die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
  • die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
  • die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
  • die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
  • die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Über die Videoüberwachung muss mit einem aussagekräftigen Hinweisschild in Augenhöhe über folgende Punkte informiert werden:

  • Umstand der Beobachtung als Piktogramm, Kamerasymbol;
  • Name des Verantwortlichen;
  • Kontaktdaten des Verantwortlichen;
  • Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, wenn vorhanden;
  • Verarbeitungszweck;
  • Rechtsgrundlage;
  • berechtigtes Interesse;
  • Speicherdauer.

Nach Art. 25, 30, 32 DSGVO ist zu dokumentieren, wie und wann die Überwachung vorgenommen wird. Eine Videoüberwachung ohne Speicherung stellt eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar und ist ebenfalls nach der DSGVO zu beurteilen. Sollte die Videokamera das Bildmaterial aufzeichnen, muss diese Aufzeichnung der Sicherheit der Verarbeitung nach Art. 32 DSGVO und datenschutzfreundlich nach Art. 25 DSGVO erfolgen. Datenschutzfreundlich bedeutet, dass nur das Notwendigste aufgezeichnet wird, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Sicher ist die Aufzeichnung, wenn Unbefugte nicht an die Daten herankommen können. Keinesfalls darf die Aufzeichnung zu einer biometrischen Auswertung der Daten, z. B. eine Gesichtserkennung, führen. Die Daten der Videoüberwachung sind nach Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO unverzüglich zu löschen, wenn der Zweck erreicht wurde und die weitere Speicherung deswegen nicht mehr notwendig ist oder die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen der weiteren Speicherung entgegenstehen. Unter Berücksichtigung der "Datenminimierung" und "Speicherbegrenzung" nach Art. 5 Abs. 1 c), e) DSGVO müssen die Daten nach nur 48 Stunden regelmäßig gelöscht werden. In Ausnahmefällen ist eine längere Speicherdauer ggf. zulässig.

Repetitorium: Prüfung der Zulässigkeit einer Videoüberwachung

Im Wesentlichen ergibt sich die Zulässigkeit einer Videoüberwachung durch eine Einschätzung in 3 Schritten.

  • Vorhandenes eigenes berechtigtes Interesse: Erstens ist zu prüfen, ob es ein berechtigtes Interesse gibt. Ein solches kann etwa der Schutz vor Diebstahl oder Sachbeschädigung sein. Für das Interesse müssen konkrete Tatsachen vorliegen, z. B. Diebstähle oder Sachbeschädigungen.
  • Erforderlichkeit der Videoüberwachung: Zweitens ist zu prüfen, ob es einen weniger grundrechtsintensiven Eingriff gibt, welcher in gleicher geeigneter Weise das berechtigte Interesse sichern kann. Gibt es eine solche Maßnahme, geht diese der Videoüberwachung vor.
  • Abwägung des berechtigten Interesses gegen schutzwürdiges Interesse der anderen: Drittens ist abzuwägen, ob das vorhandene berechtigte Interesse dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorgeht.

4.1 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 9.8.2019, 980b C 1/19

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