Leitsatz

Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden, kann ein einzelner Wohnungseigentümer einklagen, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stehen. Das gilt auch, soweit der Beseitigungsanspruch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasst.

In Ausnahmefällen kann ein Beschluss, mit dem Individualansprüche der Wohnungseigentümer vergemeinschaftet werden, als rechtsmissbräuchlich und deshalb als nichtig anzusehen sein. Das kommt in Betracht, wenn

  • ein Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch bereits gerichtlich geltend gemacht hat,
  • eine Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht beabsichtigt ist und
  • die Beschlussfassung allein dazu dienen soll, den laufenden Individualprozess zu beenden.
 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3; BGB § 1004 Abs. 1

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer B lässt im Jahr 2013 eigenmächtig im Bereich seines Sondereigentums insgesamt 5 Dachflächenfenster einbauen. Die Wohnungseigentümer genehmigen diesen Einbau. Der Beschluss wird später rechtskräftig für ungültig erklärt.
  2. Anschließend klagt Wohnungseigentümer K gegen B auf Beseitigung der 5 Dachflächenfenster und Wiederherstellung. Nach Erhebung der Klage fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

    Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Wohnungseigentümer gegen B (…) an sich. Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, namens der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin mit der zunächst außergerichtlichen Geltendmachung der genannten Ansprüche zu mandatieren. Das Mandat umfasst den Auftrag und die Befugnis, B (…) gleichzeitig aufzufordern, den übrigen Eigentümern ein Angebot über eine vergleichsweise Erledigung durch Abschluss einer Vereinbarung, z.B. durch Zahlung einer noch zu fixierenden Geldsumme in die Instandhaltungsrücklage, zu unterbreiten. Das Mandat umfasst ferner die Befugnis, mit der Eigentümerin (…) etwaige Vergleichsverhandlungen zu führen. Die entstehenden Rechtsanwaltskosten werden aus dem laufenden Budget finanziert.

  3. Das Amtsgericht (AG) erklärt auch diesen Beschluss – mit Ausnahme seines ersten Absatzes – für ungültig. Daraufhin beschließen die Wohnungseigentümer am 25.7.2017 wie folgt:

    Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Eigentümer gegen B (…) an sich. Unberührt bleibt die Geltendmachung bestehender Schadensersatzansprüche durch die Gemeinschaft wegen des Einbaus der Fenster.

  4. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist bislang nicht gegen B mit dem Ziel des Rückbaus der Dachflächenfenster vorgegangen. K behauptet, die Vergemeinschaftungsbeschlüsse seien jeweils nur zu dem Zweck erfolgt, seine Individualprozesse zu vereiteln und einen Rückbau zu verhindern. Die Mehrheit der Eigentümer wolle und werde gegen die Dachflächenfenster nicht vorgehen. K ist daher der Ansicht, die Vergemeinschaftungsbeschlüsse seien daher rechtsmissbräuchlich.
  5. Das AG verurteilt B antragsgemäß, die Dachflächenfenster zu beseitigen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Auf die Berufung des B weist das Landgericht (LG) die Klage als unzulässig ab. Denn K sei nicht prozessführungsbefugt. Zwar stehe ihm ein Wiederherstellungsanspruch zu. Zur Durchsetzung eines auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 Abs. 1 BGB sei aber nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer prozessführungsbefugt. Dies gelte auch für den konkurrierenden Anspruch gemäß § 1004 BGB mit dem Inhalt der Beseitigung und Wiederverschließung des Dachs. Grundsätzlich dürfe ein Wohnungseigentümer Beseitigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB zwar ohne Ermächtigung der übrigen Wohnungseigentümer geltend machen. Aber im Falle einer Anspruchskonkurrenz müsse die Prozessführungsbefugnis einheitlich beurteilt werden. Um das Recht der Wohnungseigentümer, zwischen Naturalrestitution und Geldersatz zu wählen, nicht durch Individualklagen zu vereiteln, müssten die Ansprüche insgesamt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.
  6. Dagegen wendet sich K mit der Revision. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

  1. Das LG gehe im Grundsatz von der ständigen Rechtsprechung des Senats aus, wonach eine "geborene Ausübungsbefugnis" der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG für Ansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück dann bestehe, wenn diese auf Schadensersatz gerichtet seien, nicht aber für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche.
  2. Soweit das LG allerdings meine, für einen Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung bestehe insgesamt eine "geborene Ausübungsbefugnis", wenn er sowohl auf § 1004 Abs. 1 BGB als auch auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt werden könne, sei ihm nicht zu folgen. Seien die Voraussetzungen beider Norme...

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