Leitsatz

Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die in einem Gewaltschutzverfahren gewährte Verfahrenskostenhilfe sich auch auf einen (Mehr-)Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche erstreckt.

 

Sachverhalt

Im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens trafen die Beteiligten eine Vereinbarung über den Verfahrensgegenstand sowie über weitere nicht rechtshängige Ansprüche. Vor Vergleichsabschluss bewilligte das AG beiden Parteien ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten auch für den in Aussicht genommenen Vergleich. Die zuständige Abteilungsrichterin hatte dem Sitzungsprotokoll einen handschriftlichen Vermerk mit dem Inhalt "VKH auch für den Mehrvergleich" hinzugefügt. Den Gegenstandswert für das Gewaltschutzverfahren setzte das Gericht auf 1.500,00 EUR, den Gegenstandswert für den Vergleich einschließlich Mehrvergleich auf 4.500,00 EUR fest.

Auf den Vergütungsantrag des Antragsgegners hat das AG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen antragsgemäß einschließlich der Gebühren für den Mehrvergleich festgesetzt.

Hiergegen wandte sich die Staatskasse mit der Erinnerung. Die Rechtspflegerin des AG schloss sich der Rechtsauffassung der Staatskasse an, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt für einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche die Festsetzung einer 1,5-fachen Einigungsgebühr nach VV Nr. 1000 RVG verlangen könne, nicht jedoch eine Verfahrensdifferenzgebühr oder eine Terminsgebühr nach dem Mehrwert des Vergleichs.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, die ohne Erfolg blieb.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Vergütungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gegen die Staatskasse umfasse die geltend gemachte Verfahrensdifferenzgebühr und die um den Mehrwert des Vergleichs erhöhte Terminsgebühr nicht. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts richte sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden und die Beiordnung des Rechtsanwalts erfolgt sei. Das AG habe beiden Parteien ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten und auch für den in Aussicht genommenen Vergleich Verfahrenskostenhilfe bewilligt und in der Folge klargestellt, dass "VKH auch für den Mehrvergleich" gewährt werde.

Schon der Wortlaut der Formulierung der erstinstanzlichen Richterin läge nahe, dass die vorausgegangenen Verhandlungen und Erörterungen im Termin von der Bewilligung nicht erfasst werden sollten.

Die Beiordnung "für den Vergleich" oder "für die Vereinbarung" habe - sofern nicht der Sonderfall des Scheidungsverbundverfahrens gemäß § 48 Abs. 3 RVG betroffen sei - zur Folge, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt für den Mehrvergleich aus der Staatskasse lediglich die Einigungsgebühr, nicht jedoch die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr zu erstatten sei (OLG Celle FamRZ 2011, 835f, OLG Bamberg JurBüro 2009, 592f, OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 714).

Dieser Auffassung schloss sich das OLG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Situation im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren an (BGH, Beschl. v. 8.6.2004 - VI ZB 49/03, NJW 2004, 2595-2597).

Der Fall eines Mehrvergleichs über nicht rechtshängige Gegenstände sei mit dem Vergleich im Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vergleichbar.

Der BGH lehne neben der Einigungsgebühr die Vergütung der Verhandlungs- und der Terminsgebühr für den Vergleich im Prozesskostenhilfeverfahren ab und argumentiere damit, dass Aspekte der Prozessökonomie und der Billigkeit nicht geeignet seien, im Falle eines Vergleichs die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren zu rechtfertigen.

Die Rechtsprechung zur Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts im Fall des § 48 Abs. 3 RVG sei für das vorliegende Verfahren nicht heranzuziehen, weil die Rechtslage im Scheidungsverbundverfahren mit dem hier zu entscheidenden Fall des Mehrvergleichs isolierter Familiensache nicht zu vergleichen sei (vgl. OLG Bamberg JurBüro 2009, 592f, Tz. 5, OLG Bamberg FamRZ 2010, 231f, Tz. 14).

Durch die Sondervorschrift des § 48 Abs. 3 RVG für den Scheidungsverbund sollten die Gerichte im Ehescheidungsverfahren dadurch entlastet werden, dass sich die Verfahrenskostenhilfe ohne weitere Prüfung der Erfolgsaussicht auf den Abschluss von Verträgen in Folgesachen erstrecke (Schleswig Holsteinisches OLG, Beschl. v. 14.2.2012 - 15 WF 399/11; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1976 f.).

Da § 48 Abs. 3 RVG ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren insoweit entbehrlich mache, sei es gerechtfertigt, dem beigeordneten Rechtsanwalt im Falle des Vergleichs über nichtrechtshängige Folgesachen im Scheidungsverbund einen Erstattungsanspruch auch über die Verhandlungsdifferenzgebühr und die Terminsgebühr zu gewähren. Die Situation im vorliegenden Fall sei eine gänzlich andere.

 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Beschluss vom 01.03.2012, II-12 WF 29/12

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