Leitsatz

  1. Abmahnung im Regelfall als erforderliche Voraussetzung eines Entziehungsbeschlusses gegen einen störenden Wohnungseigentümer
  2. Inhaltliche Prüfung der Entziehungsberechtigung bleibt der nachfolgenden Entziehungsklage (Veräußerungsverpflichtungsklage) vorbehalten
 

Normenkette

§ 18 WEG

 

Kommentar

  1. Die Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatten die Entziehung gegen einen störenden Miteigentümer beschlossen, allerdings ohne eine vorausgehende ausdrückliche Abmahnung. Während auf Anfechtungsklage dieses Beschlusses durch den Störer Amts- und Landgericht die Klage abwiesen und die Meinung vertraten, dass die Frage der Abmahnung erst im nachfolgenden Entziehungsverfahren zu klären sei, vertrat der BGH im Revisionsverfahren eine andere Ansicht und wies die Streitsache zum Landgericht zurück.
  2. Im Fall einer für die restlichen Eigentümer nicht zumutbaren Störung eines Miteigentümers, muss in der Gemeinschaft zunächst ein Entziehungsbeschluss gefasst werden; im Anschluss daran ist Entziehungsklage zu erheben. Insoweit ist es umstritten, ob eine vorherige Abmahnung eine formelle Voraussetzung für einen Entziehungsbeschluss ist und diese Frage bereits im Anfechtungsverfahren des Entziehungsbeschlusses geprüft werden muss. Der BGH schloss sich der Meinung an, dass bereits im Beschlussanfechtungsverfahren die Frage einer erfolgten Abmahnung geprüft werden muss, während die materiellen Voraussetzungen einer Entziehungsklage und Berechtigungen eines Entziehungsverlangens erst im folgenden Entziehungsklageverlangen zu prüfen und zu entscheiden sind.

Das Abmahnerfordernis besteht bereits im Fall des § 18 Abs. 1 WEG, ohne dass auf das Regelungsbeispiel in § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG abzustellen ist; dies folgt bereits aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der Wirkung einer Entziehungsklage als ultima ratio der Rechte einer Gemeinschaft. Abmahnungen sollen einen Störer warnen und ihm Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern sowie der Gemeinschaft eine sichere Entscheidungsgrundlage für einen Entziehungsbeschluss zu verschaffen. Nur im Ausnahmefall kann auf eine solche Abmahnung verzichtet werden, wenn diese unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht auf Erfolg bietet (was vorliegend zu verneinen war).

Eine solche Abmahnung ist eine formfreie rechtsgeschäftliche Erklärung, die keinen eigenständigen Beschluss der Eigentümer erfordert und auch durch den Verwalter oder einzelne Eigentümer ausgesprochen werden kann. Nur im Ausnahmefall kann eine solche Abmahnung auch in einen Entziehungsbeschluss hineininterpretiert werden. Hat der Beschluss aber nicht den Erklärungsgehalt für die Gründe einer solchen Abmahnung, kann er auch nicht in eine Abmahnung umgedeutet werden. Sind im Entziehungsbeschluss die Anforderungen an eine Abmahnung erfüllt und führte die Anfechtung aus anderen Gründen zum Erfolg, bleibt allerdings die Wirkung als Abmahnung bestehen.

Für die nachfolgende Entziehungsklage ist der vorausgehende Beschluss auch Prozessvoraussetzung und stellt die entscheidende Grundlage für die Willensbildung der Eigentümer dar; er kann jedoch nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn die erforderlichen förmlichen Verfahrensschritte vorausgegangen sind.

Abmahnungen müssen auch ausreichend bestimmt sein und ein Verhalten aufzeigen, welches einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann. Ob hier die erhobenen Vorwürfe zutreffen oder ob nach Abmahnung erneut gegen Pflichten verstoßen wurde, ist ausschließlich zu entscheidender Streitgegenstand der nachfolgenden Entziehungsklage.

Anmerkung

Durch diese Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung im Urteil vom 19.1.2007, V ZR 26/06 (BGHZ 170 S. 369 ff.) fort.

Ein Verwalter sollte deshalb vor jeder erwünschten Entziehungsbeschlussfassung gegen einen renitenten Störer im Sinne der Regelungen des § 18 WEG sicherstellen, dass einer solchen auf die Tagesordnung genommenen Beschlussentscheidung konkrete Abmahnungen vorausgegangen sind. Verstöße sollten hier in inhaltlicher Hinsicht substanziiert beschrieben und auch in zeitlicher Abfolge belegbar aufgelistet werden. Auch über die Möglichkeit einer Entziehungsbeschlussfassung und die rechtlichen Folgen hieraus sollte ein renitenter Störer zumindest vom Verwalter aufklärend und warnend hingewiesen werden. Hat die grundsätzlich erforderliche Abmahnung keinen Erfolg, kann die Gemeinschaft mit entsprechend qualifizierter, d.h. absoluter Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer in entsprechender Ermessensentscheidung auch den Entziehungsbeschluss nach § 18 Abs. 3 WEG fassen. Übliche Beschlussfähigkeitsgebote und Wiederholungsversammlungsmöglichkeiten sind insoweit nicht anzuwenden. Da allerdings in § 18 Abs. 4 WEG geregelt ist, dass nur der in Abs. 1 dieser Bestimmung bestimmte Anspruch rechtlich zwingenden Charakter besitzt, kann m.E. auch entgegen der gesetzlichen Erfordernisse in § 18 Abs. 3 WEG etwa eine anderweitig bestehende Vereinbarung vorrangig Geltung erlangen (etwa hin...

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