Leitsatz

Das Rechtsbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen einen Abmahnungsbeschluss gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG fehlt nicht deshalb, weil die Abmahnung auch durch den Verwalter oder durch einen einzelnen Wohnungseigentümer hätte ausgesprochen werden können und eine solche Abmahnung nicht anfechtbar wäre.

Im Rahmen einer gegen einen Abmahnungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage ist nur zu prüfen, ob

  • die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten sind,
  • das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann und
  • die Abmahnung hinreichend bestimmt ist.

Die Prüfung der materiellen Richtigkeit der Abmahnung ist dem auf den Entziehungsbeschluss gegebenenfalls folgenden gerichtlichen Entziehungsprozess vorbehalten.

Die Entziehung des Wohnungseigentums darf im Grundsatz nicht darauf gestützt werden, dass ein Wohnungseigentümer

  • von seinem Recht Gebrauch macht, sich mit Anträgen an den Verwalter zu wenden, auf der Versammlung Anträge zu stellen und/oder
  • Beschlüsse im Wege der Anfechtungs- bzw. der Beschlussersetzungsklage gerichtlich überprüfen lässt.

Anders liegt es, wenn die Wahrnehmung der Rechte rechtsmissbräuchlich ist, mithin, wenn sie ausschließlich einem wohnungseigentumsfremden oder -feindlichen Ziel dient und nach Intensität und Umfang ihrer Instrumentalisierung für solche Ziele den übrigen Wohnungseigentümern nicht mehr zuzumuten ist.

 

Normenkette

WEG § 18

 

Das Problem

Die Wohnungseigentümer K1 und K2 fordern Verwalter V am Morgen des 1.9.2016 per E-Mail auf, ihnen nach 3 Werktagen eine Kopie der Sammlung der Beschlüsse vom Vortag zuzusenden. Für den Fall, dass V dem nicht nachkomme, weise man auf die Möglichkeit einer Abberufung aus wichtigem Grund wegen Pflichtverletzung hin. Vor diesem Hintergrund beschließen die Wohnungseigentümer am 30.11.2016 wie folgt:

 

Wohnungseigentümer K1 und K2 haben bereits in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die ihnen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Verpflichtungen verstoßen. Insbesondere legen sie es seit Jahren darauf an, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und Ankündigung der Abwahl zu zermürben. Sie legen es so darauf an, die Gemeinschaft in einen verwalterlosen Zustand zu treiben. Die X-GmbH hat ihren Vertrag mit der Gemeinschaft aus diesem Grund nicht mehr verlängert. Dies wiederholt sich jetzt in Bezug auf V. Auch hier droht die Zerrüttung. Unter diesen Umständen wird die Gemeinschaft nötigenfalls keinen neuen Verwalter mehr finden. Dadurch entsteht allen Miteigentümern und der Gemeinschaft ein nicht unerheblicher Schaden. Die Eigentümergemeinschaft respektiert, dass die Eheleute K1 und K2 seit Jahren nicht mehr zu Eigentümerversammlungen erscheinen. Sie wurden aber zeitnah und zutreffend auch über die Beschlüsse der ETV vom 31.08.2016 informiert. Sie haben auch fristgerecht eine umfangreiche Beschlussanfechtungsklage diesbezüglich erhoben, was ebenfalls den Respekt der Eigentümergemeinschaft erhält. Gleichwohl haben die Eheleute K1 und K2 nun unter Berufung auf eine nicht ordnungsgemäße Beschlusssammlung für den 30.11.2016 eine außerordentliche Eigentümerversammlung erzwungen. Nach ihrem hierzu eingereichten Beschlussantrag Nummer 2 soll nun wegen ungenügender Beschlusssammlung beschlossen werden, den Vertrag mit V zum Ende des Probejahres zum 31.12.2016 zu beenden, falls V sein Amt nicht bis zum 31.12.2016 freiwillig niederlegen sollte. Derartiges Vorgehen der Eheleute K1 und K2 ist ausschließlich destruktiv und für die Gemeinschaft schädlich. Nach dem Willen der Eheleute K1 und K2 soll die Eigentümergemeinschaft also ohne Verwalter sein. Die Eheleute K1 und K2 werden aufgefordert, sich im Rahmen der Ausübung ihrer Eigentümerrechte zu mäßigen. Bei Fortsetzung dieses missbilligten Verhaltens wird die Eigentümergemeinschaft in Bezug auf die Eheleute K1 und K2 über die Einleitung des Verfahrens auf die Entziehung ihres Wohnungseigentums nach §§ 18f. WEG entscheiden. Die übrigen Eigentümer missbilligen dieses für die Gemeinschaft schädliche Verhalten und beschließen vor diesem Hintergrund, gegen die Wohnungseigentümer K1 und K2 eine Abmahnung auszusprechen.

K1 und K2 gehen gegen diesen Beschluss vor. Die Klage hat vor Amts- und Landgericht keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision. Die Revision hat keinen Erfolg. Der Beschluss ist auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht zu beanstanden.

 

Die Entscheidung

Zulässigkeit: Rechtsbedürfnis ist gegeben

Die Klage sei zulässig. Das Rechtsbedürfnis fehle nicht deshalb, weil die Abmahnung auch durch den Verwalter oder durch einen einzelnen Wohnungseigentümer hätte ausgesprochen werden können und eine solche Abmahnung nicht anfechtbar gewesen wäre. Denn die Wohnungseigentümer hätten das Recht, die Abmahnung zu beschließen. Machten sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, sei dieser Beschluss wie jeder andere Beschluss anfechtbar (Hinweis u.a. auf Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 18 Rn. 7).

Prüfung der Be...

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