Rz. 35

Erbverträge sind in Frankreich wegen des Misstrauens gegenüber Vereinbarungen auf den eigenen Tod verboten oder nur eingeschränkt zulässig (siehe näher Rdn 132 f.). Das Verbot der pactes sur succession future im französischen Recht ist richtigerweise als materielles Verbot und nicht nur als formelles Verbot einzustufen, da durch die restriktive Haltung nicht nur die Authentizität bzw. Beweisbarkeit des Erblasserwillens gesichert, sondern vielmehr auch eine Beeinflussung verhindert und die Testierfreiheit des Erblassers zu Lebzeiten aufrechterhalten werden soll.[37]

 

Rz. 36

Der ordre public interne im vorstehend genannten Sinn (Rdn 33) kann dabei z.B. eine Rolle spielen, wenn als Erbstatut französisches Recht zur Anwendung kommt und sich die Frage stellt, ob ein nach ausländischem Recht zwischen Ehegatten[38] geschlossener Erbeinsetzungsvertrag bei Geltung französischen Rechts wirksam ist. Ein zwischen deutschen Ehegatten abgeschlossener Erbvertrag des deutschen Rechts, der ein Grundstück in Frankreich betraf und daher dem französischen Recht unterlag, wurde von einem Instanzgericht[39] als unwirksam angesehen, da er dem französischen Recht fremd sei und die französischen Vorschriften über Noterbrechte verletzt seien. Richtiger wäre es gewesen, den Erbvertrag als institution contractuelle zwischen Ehegatten zu qualifizieren und die für diese geltenden Sachregelungen des französischen Rechts anzuwenden. Dies dürfte auch dem heutigen Stand der französischen Rechtslehre entsprechen.[40]

 

Rz. 37

Der ordre public international ist dagegen von Bedeutung, wenn eine ausländische Rechtsordnung als Erbstatut berufen und sich die Frage stellt, ob ein nach dem grundsätzlich anwendbaren ausländischen Recht wirksamer Erbeinsetzungsvertrag in Frankreich anzuerkennen und umzusetzen ist. In einigen früheren Entscheidungen von Instanzgerichten wurden ausländische pactes sur succession future unter Berufung auf den ordre public international in Frankreich als wirkungslos angesehen. Dabei ging es jedoch nicht um Erbeinsetzungsverträge zwischen Ehegatten, sondern um Erbverzichtsverträge bzw. um einen Vertrag, der nach deutschem Recht unter § 311b Abs. 4 BGB fallen würde. Erbeinsetzungsverträge zwischen Ehegatten dagegen konnten schon bisher deshalb nicht dem ordre public international unterfallen, da das französische Recht selbst in Form der institution contractuelle (siehe Rdn 134 ff.) ein vergleichbares Rechtsinstitut kennt.[41] Auch ein Pflichtteilsverzicht kann bereits deshalb nicht mehr gegen den französischen ordre public international verstoßen, da der Code Civil nunmehr seit der letzten Erbrechtsreform nach Art. 929 ff. C.C. einen Verzicht auf die Herabsetzungsklage bei Verletzung des Noterbrechts zulässt (siehe Rdn 126). Anders mag dies ggf. bei einem Erbverzicht sein. Die teilweise noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammende ältere Rechtsprechung will in einem Erbverzicht zugleich einen Verstoß gegen den ordre public international sehen. In der Literatur wird diese Auffassung für zu weitgehend gehalten.[42]

 

Rz. 38

Durch die Regelungen der EuErbVO, insbesondere Art. 3 Abs. 1 lit. b) und Art. 25 EuErbVO, wird nunmehr von den Mitgliedstaaten der Erb- und Erbverzichtsvertrag als ein mögliches Instrument der Erbregelung ausdrücklich anerkannt. Ein Verstoß gegen den ordre public eines der Mitgliedstaaten scheidet damit von vornherein aus,[43] auch wenn dies in Frankreich teilweise wohl als nicht so eindeutig angesehen wird.[44] In Frankreich wird das Inkrafttreten der EuErbVO umgekehrt zum Anlass genommen, die Diskussion, ob nicht im materiellen französischen Recht die eingeschränkten Möglichkeiten zum Abschluss von Erbverträgen erweitert werden sollen, wieder anzustoßen.[45]

 

Rz. 39

Eine institution contractuelle erfüllt grundsätzlich alle Merkmale eines Erbvertrages nach der EuErbVO und ist deshalb nach Art. 25 EuErbVO anzuknüpfen.[46] Dies gilt jedoch nicht für eine während der Ehe geschlossene institution contractuelle, da diese uneingeschränkt frei widerruflich ist. Sie unterfällt damit Art. 24 EuErbVO und ist wie zwei getrennte Einzeltestamente der Ehegatten zu behandeln.

 

Rz. 40

Auch ein nach Art. 929 ff. C.C. zulässiger Verzicht eines Noterben auf eine spätere Herabsetzungsklage zu Lebzeiten des Erblassers (renonciation anticipée à l'action en réduction) ist unter Geltung der EuErbVO als Erbvertrag nach Art. 25 EuErbVO zu behandeln.[47]

[37] Döbereiner, Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, S. 213 m.w.N.
[38] Klargestellt sei an dieser Stelle, dass die folgenden Ausführungen nur Erbeinsetzungsverträge zwischen Ehegatten betreffen. Erbeinsetzungsverträge zwischen anderen Personen werden, jedenfalls wenn sie nicht zugunsten von Ehegatten und nicht in Zusammenhang mit deren Ehevertrag erfolgen, immer gegen den französischen ordre public interne verstoßen.
[39] Colmar, 19.2.1949, Rev.crit.d.i.p. 1950, 52 (53).
[40] Revillard, Droit international privé et européen, Rn 1003.
[41] Revillard, Rev.crit.d.i.p...

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