Rz. 124

Frankreich beteiligt sich an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des Güterrechts sowie des Güterrechts für eingetragene Lebenspartnerschaften, so dass für Frankreich für nach dem 29.1.2019 geschlossene Ehen bzw. Lebenspartnerschaften bzw. im Fall von nach dem 29.1.2019 getroffenen Rechtswahlvereinbarungen die EU-Verordnungen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes bzw. in Fragen des Güterstandes eingetragener Lebenspartnerschaften gelten (EUGüVO bzw. EUPartVO, siehe dazu "Allgemeiner Teil" § 1 Rdn 87 ff. in diesem Werk). Hierzu wurde am 24.4.2019 durch das französische Justizministerium ein erläuterndes Rundschreiben (Circulaire) veröffentlicht. Ferner wurden die Verfahrensvorschriften zur grenzüberschreitenden Entscheidungsanerkennung im Rahmen der EUGüVO durch ein Dekret vom 24.12.2018 geregelt.

Für vor dem 29.1.2019 geschlossene Ehen ist, sofern die Ehegatten nach dem 29.1.2019 keine neue Rechtswahl getroffen haben, bei der Ermittlung des Güterrechtsstatuts im französischen internationalen Privatrecht zwischen zwei Zeiträumen zu unterscheiden, da für Frankreich am 1.9.1992 das Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht vom 14.3.1978 in Kraft getreten ist.[72]

[72] Im französisch-polnischen Verhältnis gilt i.Ü. weiterhin ein Abkommen vom 5.4.1967. Ferner besteht im Verhältnis zu Slowenien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Kosovo das französisch-jugoslawische Abkommen vom 18.5.1971 fort, vgl. Revillard, Droit international privé et européen, Nr. 462 f.

a) Güterrechtsstatut bei Eheschließung vor dem 1.9.1992

 

Rz. 125

Haben die Ehegatten vor dem 1.9.1992 geheiratet, so werden die güterrechtlichen Verhältnisse traditionell dem Vertragsrecht zugeordnet, so dass in diesem Bereich Parteiautonomie herrscht. Vorrangig ist deshalb auf eine – grundsätzlich nur vor der Eheschließung zulässige – ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl der Ehegatten abzustellen.[73] Es besteht eine Vermutung dafür, dass die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse dem Recht am Ort des Abschlusses des Ehevertrages unterstellen wollten. Haben die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen, so ist zu ermitteln, welchem Recht die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Eheschließung mutmaßlich unterstellen wollten. Eine überragende Bedeutung kommt dabei dem Recht am ersten gemeinsamen ehelichen Wohnsitz zu. Nach der Rspr. besteht die zwar widerlegbare – in der Praxis aber fast nie zu widerlegende – Vermutung, dass die Ehegatten das Recht am ersten gemeinsamen Wohnsitz zum Mittelpunkt ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen machen wollten.[74] Diese Kollisionsregeln stellen Sachnormverweisungen dar.[75]

 

Rz. 126

Das Ehegüterrechtsstatut ist unteilbar[76] und grundsätzlich unwandelbar. Zulässig soll allerdings die Abänderung der kollisionsrechtlichen Rechtswahl sein, wenn das ursprünglich anwendbare Güterrechtsstatut dies zulässt.[77] Die hiervon zu unterscheidende Frage, ob die Ehegatten ihren Güterstand nach Eheschließung ändern können und welche Voraussetzungen sie dabei zu beachten haben, wird vom Güterrechtsstatut beantwortet.[78]

 

Rz. 127

Haben die Partner einen Ehevertrag geschlossen, so beurteilen sich dessen Zustandekommen und Auslegung nach dem Güterrechtsstatut. Die Form des Ehevertrages unterliegt jedoch nach der Regel locus regit actum in erster Linie den Vorschriften am Abschlussort. Ausreichend ist auch die Wahrung der vom Heimatrecht der Ehegatten oder der lex causae geforderten Form. Die für den Ehevertrag bestehenden Publizitätserfordernisse, wie z.B. der Vermerk auf der Heiratsurkunde nach Art. 75 CC (siehe Rdn 89), unterliegen nicht dem Formstatut; es handelt sich vielmehr um Verfahrensvorschriften, für welche die Publizitätserfordernisse am Ort der Eheschließung gelten.[79] Die Fähigkeit, einen Ehevertrag abzuschließen, richtet sich nicht nach dem Güterrechtsstatut, sondern dem Personalstatut.[80] Kommt es aufgrund eines Ehevertrages zu einem Eigentumsübergang, so sind im Hinblick auf Immobilien die Publizitätsvorschriften der lex rei sitae einzuhalten.[81] Sind in Frankreich gelegene Grundstücke betroffen, ist dabei zu beachten, dass nach dem mit Gesetz vom 28.3.2011 neu eingeführten Art. 710–1 CC nur vor einem französischen Notar beurkundete Verträge im französischen service chargé de la publicité foncière (vormals bis 31.12.2012 bureau des hypothèques) registriert werden können.

 

Rz. 128

Bei Fehlen eines Ehevertrages entscheidet das Güterrechtsstatut über den gesetzlichen Güterstand der Ehegatten. Nach dem Güterrechtsstatut richten sich die Zusammensetzung der Gütermassen, die Schuldenhaftung, die Verwaltungsbefugnisse der Ehegatten und die Auflösung und Auseinandersetzung des Güterstandes. In letzterem Bereich ist jedoch der Einfluss der lex rei sitae zu beachten. Die nach Beendigung des Güterstandes entstehende indivision postcommunautaire wird als besondere Form des Eigentums angesehen. Ihre Zusammensetzung, Verwa...

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