BGH: Nur das eigene Einkommen zählt

Die Rechtsbeschwerde hat im Blick auf die Berücksichtigung des Sohnes keinen Erfolg. Der Unterhalt des Sohnes wurde nicht zur Hälfte durch Betreuungsleistungen (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) seiner Mutter gedeckt. Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht oder das nach § 36 Abs. 4 S. 1 InsO an seine Stelle tretende Insolvenzgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person, die eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift alle Arten von Einkünften.

Entscheidend ist die Bedarfsdeckung – Barunterhalt ist Einkommen

Es ist zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist. Deshalb sind Unterhaltszahlungen, die der Unterhaltsberechtigte vom anderen Elternteil oder Dritten bezieht, als eigene Einkünfte im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen (BGH ZInsO 2015, 1101 Rn 5).

Naturalunterhalt ist Einkommen: Kost und Logis

Gleiches gilt für Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden. Auch diese, etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, mindern die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners. Es besteht daher kein sachlicher Grund, zwischen der Art der Gewährung des Unterhalts zu unterscheiden. Daher sind Einkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur zufließen, zu den Einnahmen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu zählen (BGH, a.a.O. Rn 6).

Betreuungsleistungen sind aber etwas anderes

Im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO können als Einkünfte des Unterhaltsberechtigten folglich sowohl ein Barunterhalt als auch ein Naturalunterhalt angerechnet werden. Dabei handelt es sich um Leistungen, die dem Unterhaltsberechtigten und damit mittelbar dem Schuldner als geldwerter Vorteil konkret wirtschaftlich zugutekommen.

Einem Bar- oder Naturalunterhalt können Betreuungsleistungen eines Elternteils in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung nicht als Einkommen gleichgestellt werden. Die Bestimmung des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erklärt Betreuungsleistungen des einen und Barleistungen des anderen Elternteils für grundsätzlich gleichwertig und trägt der Tatsache Rechnung, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewertung des Betreuungsaufwandes unzulänglich bliebe. Mithin genügt der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch regelmäßig seiner Unterhaltspflicht. Für den Schuldner, der sein minderjähriges Kind nicht betreut, bedeutet dies, dass er mit seinem Arbeitseinkommen den vollen Barbedarf des Kindes bestreiten muss (BGH, a.a.O. Rn 9; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 11. Aufl., § 850c Rn 35). Da die Ehefrau nur Betreuungsunterhalt schuldet, hat der Schuldner im Streitfall grundsätzlich den gesamten Barbedarf des Sohnes zu tragen.

Die Barleistungsfähigkeit wurde berücksichtigt

Wenn der andere Elternteil über die geschuldeten Betreuungsleistungen hinaus weitere Bar- oder Naturalleistungen wie unentgeltliches Wohnen oder freie Kost erbringt, verringert er auch den Bedarf des Berechtigten und entlastet so den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner. Bei dieser Sachlage konnte das LG entsprechend den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen der Mutter und des Schuldners eine Deckung des Barbedarfs des Sohnes durch die Mutter in Höhe von 16 % und den Schuldner in Höhe von 84 % zugrunde legen (vgl. LG Leipzig JurBüro 2015, 269; LG Stralsund JurBüro 2016, 491; AG Syke JurBüro 2017, 204).

Kindergeld bleibt außen vor, weil der Sohn sonst keine Einkünfte hat

Ohne Erfolg macht der Treuhänder weiter geltend, dass das auf den Sohn entfallende Kindergeld von 194 EUR zur Hälfte mit 97 EUR als dessen Einkommen zu berücksichtigen ist. Das LG hat zutreffend angenommen, dass mangels weiterer Einkünfte des Sohnes das Kindergeld als unbedeutend einzustufen und der Sohn folglich voll zu berücksichtigen ist. Diese auf die Gesetzesmaterialien gestützte (BT-Drucks 8/693, S. 49; vgl. auch MüKo-ZPO/Smid, 5. Aufl., § 850c Rn 22; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 16. Aufl., § 850c Rn 12) Erwägung führt bereits für sich genommen zu dem Ergebnis, dass auf den Sohn entfallendes Kindergeld außer Ansatz zu bleiben hat.

Kindergeld, das an die Mutter gezahlt wird, ist kein Einkommen

Auch die Tochter bezieht keine eigenen Einkünfte, soweit ein auf sie entfallendes Kindergeld von 192 EUR monatlich an die Mutter ausgezahlt wird. Das Kindergeld stellt nach gefestigter Rechtsprechung kein Einkommen in Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO dar. Es dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen. Der Gesetzgeber hat dem Umstand, dass für Kinder des Schuldners als zweite und weitere Unterhaltsberechtigte regelmäßig Kindergeld gezahlt wird, bereits bei der Bemessung des pauschalierten pfändungsfreien Betrages in der Tabelle zu § 850c ...

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