Gütliche Erledigung wird ins Zentrum gerückt

Schon bisher war es Aufgabe des Gerichtsvollziehers in den verschiedenen Phasen der Sachpfändung und des Offenbarungsverfahrens, mit dem Schuldner eine gütliche Erledigung zu versuchen. Anders als bei der eigentlichen Zwangsvollstreckung zeigten sich die Gerichtsvollzieher hier auch stets erfolgreich. In vielen Fällen konnten engagierte Gerichtsvollzieher schon in der Vergangenheit über die gütliche Einigung dem Gläubiger zumindest eine Teilbefriedigung und die Refinanzierung der Kosten ermöglichen. Der Gesetzgeber geht nun einen Schritt weiter. Das Bemühen um die gütliche Einigung war bisher stets nur ein Annex zur Haupttätigkeit der Zwangsvollstreckung. Mit § 802b ZPO erhält der Gläubiger nun die Möglichkeit, die gütliche Erledigung in allen Stadien des nachgerichtlichen Verfahrens in den Mittelpunkt zu stellen. Er muss sie also nicht mehr zwingend mit einer anderen Tätigkeit verbinden (vgl. hierzu Goebel, Die Grundsätze der Vollstreckung und Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers, FoVo 2012, 121).

 

Im Wortlaut: § 802b ZPO

Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung

(1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein.

(2) 1Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. 2Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. 3Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein.

(3) 1Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Abs. 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. 2Widerspricht der Gläubiger unverzüglich, so wird der Zahlungsplan mit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zugleich endet der Vollstreckungsaufschub. 3Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät.

Alles in einer (neuen) Norm

§ 802b ZPO löst die bisherigen Regelungen in § 806b, 813a und b sowie 900 Abs. 3 ZPO ab, die allesamt aufgehoben werden. Nach der bisherigen Regelung war ein Absehen von einer weiteren Vollstreckungshandlung und eine gütliche Erledigung nur nach erfolgloser Sachpfändung (§ 806b ZPO), vor der Verwertung eines gepfändeten Gegenstandes (§§ 813a und b ZPO) und zur Vermeidung der Abgabe der Vermögensauskunft (§ 900 Abs. 3 ZPO) vorgesehen. Nunmehr hat der Gerichtsvollzieher in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Er kann eine gütliche Erledigung – wie es die Regelbefugnis des § 802a Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorsieht – auch schon vor der Sachpfändung anstreben. Gleiches gilt vor der Einholung von Vermögensauskünften Dritter nach § 802l ZPO oder in Zusammenhang mit der Vorpfändung nach § 845 ZPO. Da nun nach der Abgabe der Vermögensauskunft, aber vor der Eintragung im Schuldnerverzeichnis noch eine gesonderte Eintragungsanordnung nach § 882c ZPO ergehen muss, kann auch in dieser Zwischenzeit noch eine gütliche Einigung versucht werden. Sie schiebt zugunsten des Schuldners sogar eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis auf, § 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO.

 

Hinweis

Damit kann die Zahlungsvereinbarung des Schuldners mit dem Gerichtsvollzieher vor dem Hintergrund von § 133 InsO insolvenzfester ausgestaltet werden. Teilzahlungen des Schuldners, die dieser nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, sind wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach Ansicht des BGH anfechtbar (BGH NJW 2010, 1671 = DGVZ 2010, 104). Der BGH hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass durch die vorausgegangene fruchtlose Zwangsvollstreckung hinreichend dokumentiert ist, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und dass dem Gläubiger, der die Ratenzahlung entgegennimmt, dies nach Kenntnisnahme von dem Vollstreckungsergebnis auch bekannt ist. Dies kann aber nicht mehr gelten, wenn der Versuch der gütlichen Einigung gerade vor der eigentlichen Sachpfändung – erfolgreich – stattgefunden hat. Ob der Schuldner – im Zeitpunkt der Rechtshandlung (!) – tatsächlich zahlungsunfähig ist, wird durch einen solchen Vollstreckungsgang gerade nicht mehr dokumentiert. Dies gilt erst recht, wenn der Gerichtsvollzieher isoliert mit der gütlichen Erledigung nach § 802b ZPO beauftragt wird.

Hier bestimmt der Gläubiger

Voraussetzung für den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung ist, dass der Gläubiger eine solche nicht ausgeschlossen hat. Anders als bisher in § 813b ZPO und in § 900 Abs. 3 ZPO vorgesehen ist eine Zahlungsvereinbarung des Schuldners mit dem Gerichtsvollzieher gegen den ausdrücklichen Willen des Gläubigers nicht mehr möglich. Dies steht im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Stel...

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