Streitfrage: Verstoß gegen Art. 103 GG?

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Schuldner eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens.

Das LG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG unter mehreren Aspekten verletzt. Es habe bei der für die Entscheidung erheblichen Anwendung des § 767 Abs. 3 ZPO grundlegend verkannt, dass keine "wiederholte" Vollstreckungsgegenklage vorgelegen habe. Seine erste Vollstreckungsgegenklage im Jahre 2011/2012 sei darauf beschränkt gewesen, die Unzulässigkeit der Vollstreckung der Hauptforderung des Vollstreckungsbescheides (mit Ausnahme eines Restbetrages von 748,34 EUR) festzustellen. Erst als der Beklagte nach dem für den Schuldner erfolgreichen Urt. v. 5.4.2012 hinsichtlich der Verfahrenskosten und Zinsen keine nachvollziehbare Forderungsaufstellung habe vorlegen können und auch keine Einigung hinsichtlich des noch zu zahlenden Restbetrages möglich schien, habe er sich gezwungen gesehen, die Zwangsvollstreckung nun auch für den Rest der Hauptforderung, die Zinsen und die Vollstreckungskosten für unzulässig erklären zu lassen. Das habe dann zu der streitgegenständlichen Berufungsentscheidung des LG geführt. Daher sei es in den beiden Prozessen um unterschiedliche Ansprüche gegangen, nämlich in der ersten Vollstreckungsgegenklage um die Hauptforderung und in der zweiten Vollstreckungsgegenklage um die Zinsen und Vollstreckungskosten. Dies habe er ausführlich vorgetragen. Prozessökonomisch mache es keinen Sinn, vom Kläger Vortrag zu Einwendungen gegen Ansprüche zu verlangen, die in keiner Weise vom konkreten Klageantrag umfasst seien. Dies sei auch nicht Sinn und Zweck des § 767 Abs. 3 ZPO. Da der Klageantrag im Erstprozess explizit auf einen Teilbetrag (der Hauptforderung) wegen Erfüllung beschränkt gewesen sei, sei es für den Beschwerdeführer daher schon aus prozessualen Gründen unmöglich gewesen, Einwände gegen die Zinsen und Vollstreckungskosten geltend zu machen. Denn Letztere seien aufgrund der besonderen Teilbeschränkung des Klageantrages seinerzeit nicht Prozessgegenstand gewesen. § 767 Abs. 3 ZPO beabsichtige auch nicht die Konzentration von Anspruchsgesamtheiten, sondern aus prozessökonomischen Gründen lediglich die Bündelung von Einwendungen.

Das LG schweigt zum Vortrag

Das LG habe sich mit dieser Argumentation jedoch mit keinem Wort auseinandergesetzt. Es habe lediglich ausgeführt, dass alle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, die geltend gemacht werden können, in einem ersten Verfahren zu bündeln seien. Das lasse den Schluss zu, dass das Vorbringen des Schuldners bei der Urteilsfindung nicht in Erwägung gezogen worden sei. Außerdem stelle das Berufungsgericht mit seiner Argumentation die Möglichkeit einer Teilvollstreckungsgegenklage schlechthin infrage, was der Gesetzgeber mit Einführung des § 767 Abs. 3 ZPO nicht intendiert habe.

Sind Einwendungen gegen Vollstreckungskosten zu prüfen?

Auch die weitere Begründung des LG, Einwendungen gegen die Höhe der vom Inkassounternehmen beanspruchten Vollstreckungskosten seien im Rahmen der erhobenen Vollstreckungsgegenklage nicht zu überprüfen, verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die Kammer sei davon ausgegangen, dass durch die § 766, § 793 ZPO ein eigenes (Rechtsbehelfs-)System zur Verfügung stehe, um die Berechtigung der Zwangsvollstreckungskosten (im Sinne des § 788 ZPO) außerhalb einer Vollstreckungsgegenklage überprüfen zu lassen. Für eine Überprüfung der Vollstreckungskosten sei im Rahmen des § 767 ZPO kein Raum. Soweit für den Schuldner ersichtlich, sei eine derartige Rechtsauffassung bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung vertreten worden. Auf den Hinweis des LG sei dazu ausführlich Stellung genommen worden. Zwei OLG hätten "in völliger Selbstverständlichkeit" im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO die Notwendigkeit von Zwangsvollstreckungskosten im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO überprüft. Auch auf diese Argumentation sei die Kammer in ihrem Urteil nicht eingegangen. Stattdessen habe sie lediglich ihre Ausführungen aus dem Hinweisbeschluss wiederholt und ihre Meinung bekräftigt, dass die Frage nach der Notwendigkeit der Zwangsvollstreckungskosten nur im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren überprüft werden könne.

Willkürverbot verletzt?

Das Urteil des LG verletze auch das Willkürverbot und den Anspruch auf ein faires Verfahren als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Das Gericht habe zudem die existenzielle Bedeutung des Verfahrens für ihn verkannt; er benötige für seine weitere gewerbliche Tätigkeit endlich eine "saubere Schufa-Auskunft", um eine Gewerbeerlaubnis (§ 34c GewO; Maklertätigkeit) erhalten zu können.

BVerfG sieht Verletzung des rechtlichen Gehörs

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b B...

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