Pfändungsfreigrenzenverordnung 2017 verkündet

Jetzt ist es amtlich! Was angesichts der Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums in den Jahren 2016 und 2017 von 8.472 EUR (Stand 2015) über 8.652 EUR (ab 1.1.2016) auf jetzt 8.820 EUR (seit dem 1.1.2017) absehbar war, ist jetzt auch amtlich: Im Bundesgesetzblatt wurde am 7.4.2017 (BGBl I, 2017, 750) die "Bekanntmachung zu den §§ 850c und 850f der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017)" vom 28.3.2017 veröffentlicht. Damit werden die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO ab dem 1.7.2017 um immerhin etwa 5,58 % steigen.

Auswirkungen bei Arbeit, Rente und Konto

Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO wirken sich einerseits bei der Pfändung von Arbeitseinkommen sowie Renten oder Versorgungsbezügen aus, andererseits über § 850k Abs. 1, 2 und 4 ZPO auch bei der Kontopfändung, wenn sich das nach § 833a ZPO gepfändete Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto (P-Konto) befindet.

Das sind die wichtigsten neuen Beträge

Nach der Pfändungsfreigrenzenverordnung 2015 steigen die Freibeträge wie folgt:

 
Norm Regelungsgehalt bisher neu Steigerung
§ 850c Abs. 1 S. 1 Schuldner 1.073,88 EUR 1.133,80 EUR 59,92 EUR
§ 850c Abs. 1 S. 2 1. unterhaltsberechtigte Person 404,16 EUR 426,71 EUR 22,55 EUR
§ 850c Abs. 1 S. 2 2.–5. unterhaltsberechtigte Person 225,17 EUR 237,73 EUR 12,56 EUR
§ 850c Abs. 2 S. 2 Höchster Freibetrag 3.292,09 EUR 3.475,79 EUR 183,70 EUR

In gleicher Weise wurden die Beträge für wöchentliche oder tägliche Zahlungen angepasst, was in der Praxis aber kaum eine Rolle spielen sollte.

 

Hinweis

Damit ist allerdings nicht schon der gesamte unpfändbare Betrag des Arbeitseinkommens des Schuldners nach § 850c ZPO beschrieben. Zunächst ist das Arbeitseinkommen nämlich nach § 850c Abs. 3 nach unten auf volle 10-Euro-Beträge abzurunden. Übersteigt das Nettoarbeitseinkommen (§ 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO) die vorgenannten pfändbaren Beträge, ist der überschießende Betrag dann aber nicht vollständig pfändbar, sondern bei dem Schuldner, der keiner Person unterhaltspflichtig ist, nur zu 70 %, bei einer unterhaltsberechtigten Person in Höhe von 50 % und bei zwei bis fünf unterhaltsberechtigten Personen um jeweils 10 % pro Person weniger. Vollständig pfändbar sind lediglich die Beträge, die ein Nettoeinkommen von 3.475,79 EUR statt bisher 3.292,09 EUR übersteigen.

Sinkende Erträge

Insgesamt müssen sich die Gläubiger damit auf sinkende Erträge aus der Pfändung von Arbeitseinkommen einstellen, was sich auch auf den von der Pfändung ausgehenden Vollstreckungsdruck auswirkt. Da die Pfändungsfreigrenze auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist, wird insbesondere auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung einen geringeren Ertrag erzielen.

 

Beispiel

Der Schuldner ist verheiratet und hat ein Kind, mithin zwei unterhaltsberechtigte Personen. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.815 EUR.

Für das Arbeitseinkommen ergibt sich aus der Tabelle zu § 850c ZPO in der Fassung der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017 vom 28.3.2017 folgende Berechnung: Waren bis zum 30.6.2017 noch monatlich 42,72 EUR pfändbar, sind es ab dem 1.7.2017 lediglich 4,70 EUR, d.h. ein um 38,02 EUR niedrigerer Betrag, Monat für Monat.

Da § 850c Abs. 2 ZPO bei der Kontopfändung auf das Pfändungsschutzkonto nicht übertragen wird, ist hier der den Pfändungsfreibetrag übersteigende Betrag vollständig pfändbar. Der Schuldner hat also einen Betrag von 1.133,80 EUR + 426,71 EUR + 237,73 EUR = 1.798,24 EUR auf dem P-Konto pfändungsfrei. Im Umkehrschluss sind also 16,76 EUR pfändbar, wenn ein Betrag von 1.815 EUR eingeht. Der arbeitende Schuldner muss also zusätzlich einen Schutzantrag nach § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850c ZPO stellen, um den Differenzbetrag von 16,76 EUR zu 4,70 EUR, dem Pfändungsfreibetrag beim Arbeitseinkommen, auch noch pfändungsfrei stellen zu lassen.

Man kann alles auch positiv sehen: mehr Spielraum für RZV

Steigen die Pfändungsfreigrenzen, bedeutet dies zugleich, dass dem Schuldner ein größeres Einkommen zur Verfügung steht, das dem Pfändungszugriff anderer Gläubiger entzogen ist, so dass er dies für eine Ratenzahlungsvereinbarung oder eine Erhöhung der bisherigen Raten einsetzen kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass andere Gläubiger ihm diese Mittel im Wege der Zwangsvollstreckung entziehen. Auch sind dies Mittel, die im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO nicht zurückgefordert werden können, weil unpfändbares Einkommen nicht zur Insolvenzmasse gelangen würde, es deshalb an der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt. Es sind daher größere Anstrengungen im außergerichtlichen Forderungsinkasso zu unternehmen. Neben dem Anschreiben des Schuldners sind hier insbesondere die Instrumente des Telefoninkassos sowie des Einsatzes seriöser und qualifizierter Außendienste (Beispiel: www.iadb-online.de) zu nennen.

Möglichkeiten des § 850c Abs. 4 ZPO nutzen

Mögen die Auswirkungen der Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen beim Schuldner noch durch Lohnerhöhungen u...

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