Wer zu spät kommt, der bestraft sich selbst

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der angefochtenen Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren "nicht in Betracht", wenn in der Vorinstanz kein Antrag auf Vollstreckungsschutz gestellt worden ist; dies gilt auch seit Einführung des FamFG unter fortwährender Heranziehung des Rechtsgedankens aus dem nicht mehr direkt anwendbaren § 712 ZPO weiter (BGH FamRZ 2013, 1299 m.w.N.).

Rechtsmittelverlust gilt auch im Beschwerdeverfahren

Das OLG Frankfurt (FamRZ 2012, 576) hat nicht zuletzt anhand der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des Vollstreckungsschutzes in § 120 Abs. 2 FamFG grundlegend ausgeführt, dass der vom BGH ursprünglich für die Revisionsinstanz entwickelte Grundsatz ebenso für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf eine gem. § 116 Abs. 3 FamFG sofort wirksame und damit vollstreckbare Entscheidung aus der ersten Instanz anzuwenden ist, es sei denn, die Gründe, auf die der Einstellungsantrag gestützt wird, lagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht noch nicht vor oder konnten aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (ebenso OLG Hamm FamRZ 2011, 1678). Dem ist zu folgen: Die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen ist nämlich in besonderem Maße bei titulierten Unterhaltsansprüchen von Bedeutung, da die Vollstreckungsmöglichkeiten aus Titeln, welche regelmäßig den Lebensunterhalt des Gläubigers sicherstellen, mit der Regelung des FamFG gestärkt werden sollten, wie aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG deutlich wird.

Auffassung ist aber durchaus umstritten

Folgte man der Gegenauffassung (OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 870; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866 mit insoweit zust. Anm. Griesche, NzFam 2014, 559; OLG Bremen FamRZ 2011, 322), würde die Grundentscheidung über das Zurücktreten der Vorrangigkeit des Vollstreckungsinteresses des Gläubigers regelmäßig an den Anfang der neu mit der Sache befassten nächsten Instanz verlagert, obwohl nach der gesetzgeberischen Intention über den Vollstreckungsschutz, sei es nach § 712 ZPO oder nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG, grundsätzlich in der Instanz entschieden werden soll, die allgemein über die Vollstreckbarkeit zu befinden hat und sich insoweit auch bereits mit der Sach- und Rechtslage ausführlich befassen konnte. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltschuldners in der Hauptsache, die sowieso erstinstanzlich danach gesondert zu prüfenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 FamFG und schließlich die nur auf Antrag und Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils zu prüfenden Voraussetzungen sind für den Vollstreckungsschutz keineswegs gleichzusetzen, so dass auch eine rein schematische Zurückweisung solcher Anträge des Schuldners nicht zu erwarten wäre.

Argumente der Gegenansicht zurückweisen

Da es sowohl im Beschwerdeverfahren als auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz bei der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung aus der Entscheidung der Vorinstanz im Wesentlichen nur um die gleich gelagerte antragsabhängige Prüfung eines glaubhaft zu machenden nicht zu ersetzenden Nachteils gem. § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG geht, überzeugt die Gegenauffassung auch mit ihrer Differenzierung zwischen Tatsachen- und Rechtsbeschwerdeinstanz nicht. Vielmehr kommt der Rechtsprechung des BGH wegen der Gleichheit der Interessenlage der Beteiligten eine über das Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren hinausgehende allgemeine Bedeutung zu, die auch die zweite Instanz betrifft. Die Gegenauffassung kann sich auch nicht auf eine vermeintliche Differenzierung in den Gründen der Entscheidung des BGH stützen, der nämlich nur auf die (unstreitig bestehende) Möglichkeit eines beim OLG zu stellenden Vollstreckungsschutzantrags gegenüber der dort anstehenden eigenen Entscheidung abstellt und nicht etwa auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung (siehe zu dieser notwendigen Unterscheidung auch BGH, Beschl. v. 2.7.2014 – XII ZR 65/14).

Im konkreten Fall nichts Neues

Vorliegend hat der Antragsgegner außer der allgemeinen und mangels eingetretener Veränderungen bei entsprechender Antragstellung bereits in erster Instanz überprüfbaren Befürchtung, die Antragstellerin werde nicht in der Lage sein, beigetriebene Beträge zurückzuzahlen, keine neuen Gesichtspunkte für einen ihm nicht zu ersetzenden Nachteil vorgetragen, so dass eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der erstinstanzlichen Entscheidung wegen etwaiger neuer glaubhaft gemachter Tatsachen nicht in Betracht kommt. Da der letzte Gesichtspunkt allerdings immer noch zu prüfen ist, war der Antrag nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern als unbegründet zurückzuweisen.

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