Entscheidung überzeugt nicht

Der Gläubiger muss der Entscheidung nicht folgen, sondern kann sich für eine Vergütung aus einem höheren Wert auf die anderslautenden Entscheidungen des OLG Karlsruhe (NJW-RR 2011, 501) und des OLG Naumburg (NJW-RR 2014, 1151 = FoVo 2014, 215) beziehen.

Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung

Dem OLG Brandenburg ist insoweit zu folgen, wie eine objektive Betrachtungsweise angezeigt ist, die sich aber nach dem objektiven Erkenntnishorizont des Gläubigers in dem Zeitpunkt bestimmt, in dem die anfallende Gebühr ausgelöst wird. Dies ist bei der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die auf die Antragstellung gerichtete Informationsbeschaffung. In diesem Zeitpunkt steht aber nicht fest, welchen Wert die zu pfändende angebliche Forderung hat. Deshalb kann nur darauf abgestellt werden, was die verständige Partei nach ihrem objektiven Erkenntnishorizont erwarten durfte.

Auf den 2. Halbsatz von § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG kommt es nur an, wenn bereits im Zeitpunkt des Gebührenanfalls erkennbar eine Sache bestimmten Wertes gepfändet wird. Das zielt auf die Pfändung von Herausgabeansprüchen nach §§ 846, 847 ZPO, nicht aber auf die Pfändung von Geldforderungen nach § 829 ZPO. Es verbleibt bei der Pfändung von Geldforderungen also bei der Grundregel des § 25 Abs. 1 Nr. 1 1. Hs., wonach auf den Wert der Vollstreckungsforderung einschließlich der Nebenforderungen abzustellen ist. Selbst wenn man den 2. Halbsatz weiter fasst, ist der Wert der Geldforderung nur dann erheblich, wenn er für den Gläubiger erkennbar im Ex-ante-Zeitpunkt feststeht.

Kein nachträglicher Wegfall von Gebühren

Folgt man dem, ist nach § 15 Abs. 4 RVG die weitere Entwicklung der Angelegenheit für die einmal verdiente Gebühr ohne Belang. Sie kann nachträglich nicht mehr verringert werden (hierauf weist Hansens in RVGreport 2014, 442 zutreffend hin).

Sonst nicht lösbar: Dauerpfändung

Wollte man dem OLG Brandenburg in letzter Konsequenz folgen, so würde sich bei der Pfändung von Arbeitslohn, die einen monatlichen pfändbaren Betrag bestimmt, der aber über Jahre nicht zum vollständigen Forderungsausgleich führt, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG dynamisch immer wieder erhöhen, wenn der Vollstreckungserfolg eine Streitwertgrenze überschreitet. Das OLG Brandenburg verschließt sich mit seiner Sichtweise der Erkenntnis, dass es auf die Ex-ante-Sichtweise ankommt.

Wertungswiderspruch sehen

Kaum zu erklären ist dann auch der Wertungswiderspruch, dass bei einer Vollstreckungsforderung von 3.000 EUR die – sicher keinen Vollstreckungserfolg versprechende – eingeholte Vermögensauskunft nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG eine Gebühr aus einem Wert von 2.000 EUR auslöst, während die nur potentiell keinen Vollstreckungserfolg bringende Pfändung des Arbeitseinkommens bei dem in der Vermögensauskunft angegebenen Arbeitgeber nur eine Gebühr aus einem Wert von bis zu 500 EUR auslösen soll.

Folgen bedenken!

Wollte man dem Ansatz des OLG Brandenburg folgen, müsste man auch die Folgen für die effektive Rechtsdurchsetzung bedenken. Eine auskömmliche Zwangsvollstreckung wäre für den Rechtsanwalt oder den Inkassodienstleister dann nicht mehr möglich, weil er bei jeder erfolglosen Vollstreckungsmaßnahme nur noch die Mindestvergütung von 18 EUR netto erlangen könnte. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass es nicht kostendeckend sein kann, für diese Vergütung die acht- bzw. neunseitigen Anträge nach der GVFV bzw. der ZVFV auszufüllen und herzustellen. Der faktische Widerstand gegen solche Vollstreckungsmaßnahmen würde die eigentliche Vollstreckung verhindern. Der Rechtsdienstleister vermeidet dann schon einen Verlust, wenn er seine Bemühungen um eine Informationsbeschaffung reduziert.

FoVo 3/2017, S. 53 - 56

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