BGH klärt Reichweite von § 836 Abs. 3 ZPO

Nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ist der Schuldner aufgrund der Überweisung einer angeblich bestehenden Forderung verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die ihm über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Vorschrift soll dem Gläubiger die Einziehung der Forderung beim Drittschuldner erleichtern.

Die Auskunfts- und Herausgabepflicht dient seinem Interesse, die zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Der Gläubiger soll in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage zu überprüfen und notfalls eine solche exakt beziffern können. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen vermieden werden (vgl. BGHZ 192, 314; BGH MDR 2013, 548). Die Auskunftspflicht bezieht sich auf alle für die Einziehung der überwiesenen Forderung erheblichen Einzelheiten, wie etwa Tatsachen zum Grund oder zur Berechnung der Höhe der Forderung oder zur Entkräftung von Einwendungen des Drittschuldners. Inhalt und Umfang dieser Pflicht richten sich insoweit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl., § 836 Rn 6; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn 10).

Aber: Nicht das Vollstreckungsgericht legt Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht fest

Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Vollstreckungsgericht nicht befugt ist, den Inhalt und Umfang der den Schuldner treffenden Auskunftsverpflichtung nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO auf Antrag des Gläubigers durch Auskunfts- oder Offenbarungsanordnungen in dem Überweisungsbeschluss oder einem diesen ergänzenden Beschluss festzulegen.

Die Entscheidung, ob eine von dem Gläubiger begehrte Auskunft zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Drittschuldner nötig ist, obliegt nach dem Gesetz dem GV. Der Antrag der Gläubigerin an das Vollstreckungsgericht, den PfÜB um einen an den Schuldner gerichteten Fragenkatalog zu ergänzen, ist deshalb unzulässig (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn 15; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., B. 264; Stöber, MDR 2001, 301, 303, 305; Wertenbruch, DGVZ 2001, 65, 66; Schuschke/Plücker, in: Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn 7, 16 f.; a.A. LG Verden, Beschl. v. 31.5.2002 – 1 T 54/02, JurBüro 2004, 499; Hornung, Rpfleger 1998, 381, 400; Behr, JurBüro 2004, 499, 501; Hintzen, in: Wolf/Hintzen, Handbuch der Mobiliarvollstreckung, 2. Aufl., Teil E Kap A Rn 58; Steder, in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 2013, A. Pfändung von Forderungen – Allgemein Rn 347).

Das Auskunftsverfahren obliegt dem Gerichtsvollzieher

Gemäß § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO hat ein Schuldner, der seiner Auskunftsverpflichtung nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO gegenüber dem Gläubiger nicht nachkommt, die Auskunft auf Antrag des Gläubigers zu Protokoll zu geben und seine Angaben an Eides statt zu versichern. Dieses Verfahren zur Erlangung der nötigen Auskünfte des Schuldners ist im Zuge der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle eingeführt worden, um dem Gläubiger bei Meidung eines zeit- und kostenintensiven Klageverfahrens eine beschleunigte Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks 13/341, S. 11, 35). Zuständig für die Protokollierung der Auskünfte des Schuldners und die sich daran anschließende Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist nach § 836 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 802e ZPO der GV. Dieser hat nach § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO darüber zu befinden, ob eine von dem Gläubiger begehrte Auskunft zur Geltendmachung der überwiesenen Forderung i.S.v. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO nötig ist oder nicht.

Prüfung über notwendigen Umfang der Auskunft erfolgt erst nach der Pfändung

Diese Prüfung kann erst – nach Erlass des PfÜB – auf der Grundlage der Auskunft des Schuldners zum Bestehen der gepfändeten und überwiesenen angeblichen Forderung erfolgen. Erklärt der Schuldner beispielsweise, dass diese Forderung nicht besteht, können sich – je nach den Umständen – weitergehende Fragen erübrigen. Dem Vollstreckungsgericht, das mit dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erst die Grundlage für den Auskunftsanspruch nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO schafft und den Schuldner vor der Pfändung grundsätzlich nicht anhört (§ 834 ZPO), ist unbekannt, wie sich der Schuldner zum Bestehen der angeblichen Forderung äußern wird. Es könnte deshalb nur hypothetische Fragen formulieren, deren Bedeutung ungewiss ist. Gerade das hat der Gesetzgeber nicht gewollt. Er hat vielmehr ein praxisnahes Verfahren geschaffen, in dem der GV im Rahmen der Protokollierung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung flexibel und sachgerecht auf die Erklärungen des Schuldners reagieren kann.

Eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts in diesem Zusammenhang widerspräche zudem dem erklärten Ziel des Gesetzgebers der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle, durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die GV eine Entlastung der Vollstreckungsgericht...

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