Hartz IV ist kein Hindernis für eine gütliche Einigung

Bezieht der Schuldner Hartz IV, ist das sicher ein Indiz dafür, dass sein laufendes Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Dies gilt auch dann, wenn er die Leistungen nur ergänzend zu Arbeitseinkommen und/oder einer (Erwerbsunfähigkeits-)Rente bezieht.

Allein dies besagt aber nicht, dass eine gütliche Erledigung in Form einer Vergleichsvereinbarung ausscheidet.

Ist der Schuldner die Verbindlichkeit in dem Bewusstsein eingegangen, diese nicht begleichen zu können, liegt eine vorsätzlich unerlaubte Handlung vor, die die Forderung (auch) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB begründen kann. Dann senken sich einerseits die Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 2 ZPO ab und andererseits kann die Forderung nach § 302 InsO insolvenzsicher angemeldet werden. Der Schuldner kann sich von ihr also Zeit seines Lebens nicht befreien. Das ist auch bei der Frage der Realisierungschance nach einer Titulierung zu berücksichtigen.
Kann der Schuldner dagegen aufgrund schicksalhafter Umstände die Forderung nicht begleichen, ist er nicht selten kooperativ, da die Leistungswilligkeit vorhanden ist und die Berechtigung der Forderung nicht in Streit steht.

So kann der Schuldner sehr wohl ein Eigeninteresse daran haben, zumindest die Zinsen und Kosten auszugleichen, um ein Anwachsen der Forderung und damit seiner Verschuldung zu vermeiden und einen künftigen Start ins Berufsleben nicht noch intensiver zu erschweren. Auch kann er ein Interesse daran haben, sich Zeit zu kaufen, indem er eine verjährungsverlängernde Vereinbarung (§ 202 Abs. 2 BGB) im Gegenzug zu einem Moratorium, d.h. den Aufschub der Forderungseinziehung für mehrere Monate, trifft.

Welche Bedürfnisse deckt Hartz IV?

Im Gespräch mit dem Schuldner muss auch thematisiert werden, wofür er Hartz IV erhält, wenn ein Teil des Geldes (auch) genau für die Bedürfnisse gezahlt wird, die der Forderung zugrunde liegen.

 

Hinweis

So werden 8,94 % der Leistungen oder aktuell 40,15 EUR für Leistungen der Post- und Telekommunikation gezahlt. Dem Schuldner sollte es also einleuchten, dass er diesen Betrag auch einsetzen muss, um eine Forderung aus einer Telefon- oder Internetrechnung zu begleichen. Es geht also darum, den Schuldner bei der Zusammensetzung von Hartz IV "abzuholen", um ihm eine nachvollziehbare Begründung zu geben, gerade die geltend gemachte Forderung zu begleichen. Es ist deshalb von Bedeutung, die Zusammensetzung von Hartz IV zu kennen.

 
Anteil am Regelbedarf in % von der RL in EUR von der RL
     
Nahrung, alkoholfreie Getränke 34,70 % 155,82 EUR
Freizeit, Unterhaltung, Kultur 9,76 % 43,82 EUR
Post und Telekommunikation 8,94 % 40,15 EUR
Bekleidung, Schuhe 8,30 % 37,26 EUR
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung 8,48 % 38,07 EUR
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände 6,09 % 27,35 EUR
andere Waren und Dienstleistungen 7,97 % 35,77 EUR
Verkehr 8,97 % 40,27 EUR
Gesundheitspflege 3,82 % 17,14 EUR
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 2,62 % 11,73 EUR
Bildung 0,36 % 1,62 EUR
SUMME 100 % 449,00 EUR

Den Blick auf das Schonvermögen nicht vernachlässigen

Landläufig wird Hartz IV damit gleichgesetzt, dass der Schuldner weder über hinreichendes Einkommen noch über Vermögen verfügt. Zwar kann dies so sein. Es ist aber weder in der Praxis noch nach den rechtlichen Rahmenbedingungen zwingend. § 12 Abs. 2 SGB II gewährt dem Hartz IV-Bezieher nämlich ein Schonvermögen.

 

Schonvermögen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II im Wortlaut

Vom Vermögen sind abzusetzen

ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3.100 EUR; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder ihren Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen,

1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 3 100 EUR für jedes leistungsberechtigte minderjährige Kind …

In den Folgeziffern sind weitere Schonvermögenssachverhalte geregelt. Insoweit sagt allein der Umstand, dass der Schuldner laufende Leistungen nach dem SGB in Form von Hartz IV bezieht, nichts Abschließendes darüber aus, ob er hinsichtlich einer Vergleichsvereinbarung eine hinreichende Leistungsfähigkeit hat.

Nach § 12 Abs. 3 SGB II bleibt u.a. sogar ein selbst genutztes Hausgrundstück von ange-messener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung bei der Bemessung von Hartz IV außer Betracht. Da insoweit aber kein Pfändungsschutz begründet ist, liegt auf der Hand, dass der Schuldner den Zugriff durch eine Vergleichsvereinbarung schützen möchte.

 

Hinweis

Der Schuldner sollte nach einem solchen Schonvermögen befragt werden. Wird hier die Antwort auch selten befriedigend sein, sollte diese Frage auch im Rahmen der Abnahme der Vermögensauskunft gestellt werden. Genau hierauf sollte der Schuldner bei der Eigenbefragung hingewiesen werden. Es geht nicht darum, ob er die Frage beantwortet, sondern wann.

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