BGH widerspricht dem Kammergericht und folgt dem Gläubiger

Der BGH widerspricht dem Kammergericht (KG) und hält die Feststellungsklage für zulässig. Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde (§ 256 Abs. 1 ZPO). Vorliegend folgt das rechtliche Interesse der Klägerin aus § 302 Nr. 1 InsO. Der Schuldner hat Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Wird diese erteilt, darf die Klägerin grundsätzlich weder aus dem Versäumnisurteil noch aus dem Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner vollstrecken. Zwar werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte, § 302 Nr. 1 InsO. Vorliegend hat aber der Schuldner der von der Klägerin angemeldeten Forderung dem Grunde und der Höhe nach widersprochen. Damit hat er sich die rechtliche Möglichkeit verschafft, im Fall der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil und dem Vollstreckungsbescheid Vollstreckungsgegenklage zu erheben (BGH ZInsO 2011, 39). Für die Klägerin besteht damit das Risiko, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung kommt (BGH ZInsO 2006, 704). Zurückgenommen hat der Beklagte seinen Widerspruch nicht, sodass weiterhin das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung um den Forderungsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gegeben ist.

 

Hinweis

Nichts anders gilt unter dem Blickwinkel von § 850f Abs. 2 ZPO für die Einzelzwangsvollstreckung. Soweit der Schuldner über Arbeitseinkommen verfügt, kommen ihm die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO zugute. Anderes gilt, wenn die Vollstreckungsforderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt. In diesem Fall ist ihm nur der notwendige Unterhalt zu belassen, den der BGH in Höhe des fiktiven individuellen Sozialhilfesatzes bestimmt.

Kein einfacherer Weg für den Gläubiger zu sehen

Der Klägerin steht kein gegenüber der Feststellungsklage einfacherer Weg zur Verfügung, um die Wirkungen des Widerspruchs des Beklagten zu beseitigen. Insbesondere kann sie nicht einen Antrag auf Berichtigung der Tabelle gemäß oder entsprechend § 183 Abs. 2 InsO stellen. Die Tabelle ist nicht im Sinne dieser Vorschrift unrichtig. Aus § 183 Abs. 2 InsO folgt, dass ein obsiegender Beteiligter eines Feststellungsstreits im Sinne des § 179 Abs. 1 oder 2 InsO beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle beantragen kann, wenn er als anmeldender Gläubiger mit seiner Klage Erfolg gehabt hat oder als bestreitender Insolvenzgläubiger oder Insolvenzverwalter mit seinem Widerspruch durchgedrungen ist. Eine entsprechende Anwendung des § 183 Abs. 2 InsO kommt möglicherweise dann in Betracht, wenn der Gläubiger eine titulierte Forderung angemeldet hat, die vom Schuldner bestritten worden ist, der Schuldner jedoch entgegen § 184 Abs. 2 InsO seinen Widerspruch nicht innerhalb der Monatsfrist verfolgt hat.

Keine entsprechende Anwendung von §§ 183184 InsO

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine entsprechende Anwendung des § 184 Abs. 2 und des § 183 Abs. 2 InsO ausgeschlossen, wenn der Anspruchsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vom Schuldner bestritten und die Forderung tituliert ist, nicht aber der Anspruchsgrund selbstständig festgestellt ist. Dies hat der BGH (gegen OLG Brandenburg NZI 2010, 266) geklärt. Von einer entsprechenden Rechtslage ist auch hier auszugehen. Die Klägerin verfügt zwar über ein rechtskräftiges Versäumnisurteil und einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner. In beiden Fällen ist aber nicht mit der für § 184 Abs. 2 InsO erforderlichen Rechtskraftwirkung festgestellt, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

 

Hinweis

Hier liegt der eigentliche Fehler des Gläubigers. Während er im gerichtlichen Mahnbescheid und damit hin zum Vollstreckungsbescheid tatsächlich keine Möglichkeit hatte, den Anspruchsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung festzustellen, hätte im Verfahren zum Versäumnisurteil mit einer Klageerweiterung ein entsprechender Feststellungsantrag gestellt werden können.

Versäumnisurteil kann nicht mit Klageschrift ausgelegt werden

Das KG hat seine Auffassung, die Tabelle sei unrichtig, darauf gestützt, dass der Beklagte es im Hinblick auf das Versäumnisurteil unterlassen habe, seinen Widerspruch gegen die von der Klägerin angemeldete Forderung gemäß § 184 Abs. 2 InsO zu verfolgen. Hierbei hat es übersehen, dass mit der unanfechtbaren Verurteilung des Geschäftsführers einer GmbH zum Schadensersatz für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile von Sozialversicherungsbeiträgen in einem Versäumnisurteil diesem gegenüber noch nicht rechtskräftig ...

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