1. Der Ersteher eines Grundstücks, das nach vorangegangener Zwangsverwaltung zwangsversteigert wird, ist nicht Rechtsnachfolger des früheren Zwangsverwalters.

2. Der Zuschlagsbeschluss hat die Bedeutung eines vollstreckbaren Titels und erfasst auch den besitzenden Dritten, soweit diesem kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB zusteht.

OLG Celle, 6.9.2010– 4 W 137/10

I. Der Fall

Die Schuldner nutzen ein Grundstück, welches zunächst der Zwangsverwaltung unterstanden hat. Der Zwangsverwalter (Altgläubiger) hat gegen die Schuldner am 27.11.2009 einen Räumungstitel erworben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das OLG am 6.4.2010 zurückgewiesen. Schon am 1.9.2009 haben die Antragsteller (Neugläubiger) den Grundbesitz im Wege des Zuschlages in der Zwangsversteigerung erworben. Am 6.5.2010 wurde die Zwangsverwaltung aufgehoben. Der auf den Zwangsverwalter als Altgläubiger lautende Räumungstitel wurde dann antragsgemäß auf die Neugläubiger nach § 727 ZPO umgeschrieben. Hiergegen wenden sich die Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Die Ersteher seien nicht Rechtsnachfolger des Zwangsverwalters.

II. Die Entscheidung

Das OLG Celle ist der Argumentation der Kläger gefolgt. Der Eigentumserwerb der Neugläubiger durch Zuschlagsbeschluss des AG vom 1.9.2009 ist ein originärer Rechtserwerb durch Hoheitsakt gem. § 90 Abs. 1 ZVG. Die Rechtsstellung der Neugläubiger als Ersteherin und Eigentümerin des Grundstücks leitet sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus der zuvor inne gehabten Stellung des Altgläubigers als Zwangsverwalter ab. Die Neugläubigerin als Ersteherin war bis zur Erteilung des Zuschlags nicht einmal beteiligt i.S.d. § 9 ZVG. Sie hatte auch sonst keine Rechtsbeziehungen zum Altgläubiger als Zwangsverwalter. Die Zwangsverwaltung ist dagegen seit dem Beschluss des AG vom 6.5.2010 aufgehoben, und zwar ohne Einschränkung.

Der Senat folgt insoweit der auch vom LG Berlin (v. 15. und 18.6.2010, 65 T 183/09 und 65 T 177/09) vertretenen Auffassung. Diese Rechtsansicht wird im Übrigen, soweit ersichtlich, auch im Schrifttum ganz überwiegend, wenn nicht einhellig, sowie in der Rechtsprechung des BGH vertreten (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 727 Rn 29; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 727 Rn 32; Wolfsteiner, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn 33). Der BGH hat vor allem in der auch vom LG Berlin zitierten Entscheidung LM Nr. 2 zu § 265 ZPO ausdrücklich ausgesprochen, dass der Ersteher des Grundstücks nicht kraft Gesetzes Rechtsnachfolger des Zwangsverwalters wird (bestätigt in BGH NJW 1978, 1529). Diese Entscheidungen sind zwar im Rahmen der hier nicht unmittelbar einschlägigen Frage ergangen, ob der Ersteher gemäß § 265 ZPO ohne Zustimmung des Gegners im Wege gewillkürten Parteiwechsels in einen Zivilprozess eintreten kann. Mit der Aussage, dass der Ersteher nicht Rechtsnachfolger im Sinne von § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist, ist aber auch gesagt, dass keine Rechtsnachfolge im Sinne von § 727 ZPO vorliegt. Denn dass der Begriff der Rechtsnachfolge in den §§ 265, 727 ZPO vom Gesetzgeber mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird, ist nicht anzunehmen.

Der Praxistipp

Es handelt sich am Ende um ein völlig überflüssiges Beschwerdeverfahren. Der Vertreter der Neugläubiger hat übersehen, dass diese durch den Zuschlag nach § 93 Abs. 1 S. 1 ZVG bereits einen Räumungstitel gegen den Besitzer, d.h. die Schuldner erworben haben. Es ist also weder die Titelumschreibung noch eine erneute Räumungsklage erforderlich.

Nach § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG darf der Ersteher die Zwangsvollstreckung nur dann nicht betreiben, wenn dadurch in ein durch den Zuschlag nicht erloschenes Recht zum Besitz eingegriffen wird. Selbst dies hindert aber zunächst die eigentliche Zwangsvollstreckung nicht, weil der Schuldner nach § 93 Abs. 1 S. 3 ZVG verpflichtet wird, die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu erheben. In diesem Verfahren ist dann die Auseinandersetzung zu führen, ob dem Schuldner ein Recht zum Besitz zukommt oder nicht.

Im konkreten Fall war das Besitzrecht in Form eines Pachtvertrages natürlich durch die Kündigung des Zwangsverwalters erloschen. Dies ist in den anschließenden Räumungsverfahren ja auch festgestellt worden. Diese Kündigung ist durch die Aufhebung der Zwangsverwaltung nicht gegenstandslos geworden. Das vom Gläubiger gewollte Ergebnis lässt sich über § 93 Abs. 1 ZVG also schneller und einfacher erreichen als über § 727 ZPO. Die Klausel auf den Zuschlagbeschluss ist im vereinfachten Klauselverfahren nach §§ 724, 725 ZPO zu erteilen.

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