Das LG hat eine bevorrechtigte Vollstreckung des in Rede stehenden Kostenerstattungsanspruchs zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 850d Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

Eine Auffassung bezieht die Kosten in die Privilegierung mit ein

In Rechtsprechung und Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, dass der Anspruch des Unterhaltsgläubigers gegen den Unterhaltsschuldner auf Erstattung der aus einem Unterhaltsrechtsstreit resultierenden Prozesskosten vom Pfändungsprivileg des § 850d Abs. 1 ZPO umfasst sei (OLG Hamm Rpfleger 1977, 109, 110; MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl., § 850d Rn 3; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850d Rn 2; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn 2; Taeger, JR 1964, 348; Behr, Rpfleger 1981, 382, 386; Mümmler, JurBüro 1982, 510, 511 f. – für Beitreibungskosten). Der Unterhaltsgläubiger müsse die von ihm vorgeschossenen Prozesskosten aus Mitteln entnehmen, die ihm sonst für seinen Unterhalt zur Verfügung stünden. Deshalb entspreche es dem in § 850d Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, dem Gläubiger zu einer möglichst ungeschmälerten Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs zu verhelfen, wenn ihm über die Zubilligung eines Pfändungsvorrechts nach § 850d Abs. 1 ZPO auch die Beitreibung jener seinen Unterhalt sonst schmälernden Kosten erleichtert werde (so insbesondere: OLG Hamm, a.a.O.; Behr, a.a.O.).

Allerdings nicht ohne Widerspruch

Die Gegenmeinung geht demgegenüber auf der Grundlage einer am Wortlaut orientierten, engen Auslegung des § 850d Abs. 1 ZPO davon aus, dass Kostenerstattungsansprüche des Gläubigers den nach dieser Vorschrift allein bevorrechtigten Unterhaltsansprüchen selbst dann nicht gleichstehen, wenn sie die Kosten eines vorausgegangen Unterhaltsprozesses betreffen (LG München I Rpfleger 1965, 278; LG Berlin Rpfleger 1967, 223; LG Offenburg JR 1964, 347; LG Essen MDR 1960, 680; OLG Celle JW 1931, 2178; Büttner, FamRZ 1994, 1433, 1434; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 1085 und Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850d Rn 3; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn 10; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 850d Rn 6; B/L/A/H, ZPO, 67. Aufl., § 850d Rn 3; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 850d Rn 2).

BGH folgt zweiter Ansicht

Der BGH schließt sich der zweiten Auffassung an. Die Vollstreckungsprivilegierung nach § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO umfasst nach seiner Ansicht nur gesetzliche Unterhaltsansprüche des Gläubigers. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des im Unterhaltsprozess obsiegenden Unterhaltsgläubigers ist kein solcher Anspruch. Er entsteht vielmehr eigenständig nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO und unabhängig vom Gegenstand der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegenden Klageforderung, der nur im Rahmen der §§ 93a bis 93d ZPO als Anknüpfungspunkt für die dort normierten Sondertatbestände der Kostenverteilung Bedeutung erlangt. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 367 Abs. 1 BGB, wonach Zahlungen des Schuldners vorrangig auf Zinsen und (Prozess-) Kosten anzurechnen sind. Der Kostenerstattungsanspruch des Unterhaltsgläubigers wird nicht dadurch zu einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch, dass er kraft gesetzlicher Anordnung vor diesem getilgt wird, wenn der Unterhaltsschuldner unterscheidungslos auf beide Forderungen zahlt. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur abgesonderten Befriedigung wegen nach Insolvenz­eröffnung fällig gewordener Ansprüche auf Kosten und Zinsen (BGH, Urteil vom 17.7.2008 – IX ZR 132/07, WM 2008, 1660) folgt nichts anderes.

Nichtberücksichtigung der Kosten …

Es besteht auch keine Veranlassung, das Pfändungsprivileg des § 850d Abs. 1 ZPO auf einen in der soeben beschriebenen Weise mit Unterhaltsforderungen verknüpften Kostenerstattungsanspruch zu erstrecken. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist nicht vom Regelungsgehalt des § 850d Abs. 1 ZPO umfasst.

…entspreche dem gesetzgeberischen Willen

Hinter der durch § 850d Abs. 1 ZPO für gesetzliche Unterhaltsansprüche angeordneten Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen steht das gesetzgeberische Anliegen, den Gläubiger, der seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann, nicht auf die staatliche Sozialfürsorge zu verweisen. Stattdessen soll er privilegiert Zugriff auf das Arbeitseinkommen des ihm gegenüber unterhaltspflichtigen Schuldners nehmen dürfen (BGH FamRZ 2005, 1564). Allerdings ist die vollstreckungsrechtliche Bevorzugung des Unterhaltsgläubigers gemäß § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO zeitlich auf solche Unterhaltsforderungen beschränkt, die nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, und sonst nur für die Fälle zugelassen, in denen sich der Unterhaltsschuldner seiner Zahlungsverpflichtung absichtlich entzogen hat. Auch das entspricht dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift. Denn für rückständigen Unterhalt, der wegen des Zeitablaufs nicht mehr dazu dienen kann, seinen aktuellen Unterhaltsbedarf zu befriedigen, bedarf der Unterhaltsgläubiger keiner vollstreckungsrechtlichen Privilegierung, ...

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