Erfolgt die Aufforderung zur Zahlung des vereinbarten Betrages aus einem gerichtlichen Vergleich nach Ablauf von 14 Tagen, hat der Schuldner die dadurch entstandene Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG gemäß § 788 ZPO zu erstatten.

AG Esslingen, 20.5.2010 – 1 M 1470/10

I. Der Fall

In einem gerichtlichen Vergleich vom 5.3.2010 hat sich die Schuldnerin verpflichtet, an den Beklagten ca. 600 EUR zu zahlen. Eine Zahlungsfrist enthält der Vergleich nicht. Als am 22.3.2010 die Vergleichssumme den Gläubiger noch nicht erreicht hatte, beauftragte er seinen Bevollmächtigten mit der zwangsweisen Beitreibung. Noch am selben Tag forderte er die Schuldnerin, obwohl der Vergleich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellt war, unter Androhung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen zur Zahlung auf. Am Folgetag ging der Betrag ein.

Der Gläubiger begehrt nun, den Ersatz der 0,3-Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer nach § 788 ZPO gegen die Schuldnerin festzusetzen. Die Schuldnerin ist dem entgegengetreten. Zum einen habe sie rechtzeitig erfüllt, zum anderen sei sie jedenfalls vor der Zustellung des Vergleiches nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen.

II. Die Entscheidung

Nach Ansicht des BGH (IXa ZB 146/03, AGS 2003, 561) ist die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr gemäß § 788 Abs. 1 in Verbindung mit § 91 ZPO erstattungsfähig, „wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war“.

„Der Senat folgt der Meinung, der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr für eine an den Schuldner gerichtete Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung stehe nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte.“

Fraglich ist hier, ob dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung gewährt wurde. Nach Ansicht des BGH ist für einen gerichtlichen Vergleich eine Frist von 14 Tagen ausreichend (BGH NJW-RR 2003, 1585). Der Vergleich ist am 5.3.2010 geschlossen worden. Der Gläubigerseite ist der titulierte Betrag am 23.3.2010 auf dem Konto gutgeschrieben worden. Nach Ansicht des Gerichts ist es hier völlig unerheblich, ob der Schuldner die Überweisung am 19.3.2010 oder am 22.3.2010 tätigte. Entscheidend ist, dass der Erhalt der Leistungen bei der Gläubigerseite erst am 23.3.2010 erfolgte und nicht am 20.3.2010. Am 23.3.2010 wurde dann das Aufforderungsschreiben des Gläubigervertreters gefertigt. Der Zeitraum vom 5.3.2010 bis zum 22.3.2010 beträgt zwei Wochen und drei Tage. Damit war die oben genannte 14-tägige Frist zum Zeitpunkt des Schreibens verstrichen. Es war daher antragsgemäß zu entscheiden.

 

III. Der Praxistipp

Erstattungsfähigkeit der Vollstreckungsgebühr

Zunächst ist festzustellen, dass die Entscheidung die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der aufgrund des erteilten Auftrages in jedem Fall angefallenen Vollstreckungsgebühr betrifft. Beauftragt der Mandant den Bevollmächtigten mit der Vollstreckung, muss er die Gebühren auch dann tragen, wenn dies zu früh war. Allerdings wird man annehmen müssen, dass der Rechtsdienstleister verpflichtet ist, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass eine durch seine Tätigkeit entstehende Gebühr ggf. nicht erstattungsfähig ist.

Wie so häufig hat auch diese Entscheidung zwei Seiten: Der Bevollmächtigte des Schuldners ist am Vergleichsabschluss unmittelbar beteiligt, weiß also, dass die Forderung – mangels anderweitiger Zahlungsbestimmung – sofort fällig ist, § 271 BGB. Im Angesicht der vom BGH postulierten Zwei-Wochen-Frist muss er den Schuldner also direkt nach dem Termin auf seine unmittelbare Zahlungsverpflichtung hinweisen und die Frist bestimmen. Dabei ist der besondere Hinweis erforderlich, dass es auf den Zahlungseingang beim Gläubiger ankommt (hierzu § 676a Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB: 1–3 Bankgeschäftstage je nach Überweisungs- und Empfängerbank). Stehen der Anweisung besondere Hindernisse entgegen, sollte der Gläubiger hierüber unmittelbar informiert werden.

Der Bevollmächtigte des Gläubigers wiederum muss sich die Zwei-Wochen-Frist notieren und unmittelbar nach Fristablauf die Zahlungsaufforderung an den Schuldner richten. Schon der Zahlungsaufforderung kann dann die Kostennote beigefügt werden. Dabei sollte nicht vergessen werden, auf die Entscheidungen des BGH hinzuweisen.

Schuldner muss Kenntnis von der Feststellung des Vergleichs haben

Der Entscheidung des AG Esslingen lag allerdings der Fall zugrunde, dass der Vergleich im Termin zur mündlichen Verhandlung geschlossen wurde. Deshalb konnte darauf abgestellt werden, dass der Schuldner mit dem Vergleichsabschluss auch Kenntnis von seiner Zahlungsverpflichtung hatte. Dies verhält sich allerdings anders, wenn der Vergleich im schriftlichen Verfahren abgeschlossen wurde, §...

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