§ 850k Abs. 4 ZPO hilft nicht weiter

Gemäß § 850k Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen abweichenden Betrag als unpfändbar festsetzen, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Eine einmalige Kontofreigabe nach § 850k Abs. 4 ZPO kommt im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht, da die Gutschrift einer Schadensersatzleistung nicht den Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO, § 54 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, Abs. 4, Abs. 5 SGB I, § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII und § 76 EStG unterliegt, auf welche § 850k Abs. 4 ZPO ausdrücklich Bezug nimmt. Eine darüber hinausgehende Freigabe wurde seitens des Gesetzgebers nicht vorgesehen.

Umdeutung des Antrages nach § 765a ZPO

Stellt jedoch der Schuldner einen Antrag auf Freigabe von Beträgen, die auf ein Konto überwiesen wurden, so hat das Vollstreckungsgericht den Antrag stets auszulegen und zu prüfen, ob der Schuldner damit eine unbillige Härte der Vollstreckungsmaßnahme im Sinne des § 765a Abs. 1 ZPO geltend machen möchte (vgl. BVerfG NJW 2014, 3771). Auch wenn die formellen Voraussetzungen des § 850k Abs. 4 ZPO nicht erfüllt sind, kann im Einzelfall die Freistellung von gutgeschriebenen Beträgen vor dem Hintergrund einer unbilligen Härte der Vollstreckungsmaßnahme geboten sein (Beck’scher OK, § 850k Rn 27.1.).

Sittenwidrig, wenn an der Quelle unpfändbar

Der Antrag des Schuldners ist daher gemäß § 765a ZPO als zulässig zu erachten. Weiterhin müsse der Antrag des Schuldners jedoch auch begründet sein. Gemäß § 765a ZPO kann eine Vollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise aufgehoben, untersagt oder einstweilen eingestellt werden, wenn wegen ganz besonderer Umstände die Vollstreckung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers für den Schuldner eine sittenwidrige Härte bedeuten würde. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Im vorliegenden Fall wurde dem Schuldner eine Schadensersatzleistung resultierend aus einem Verkehrsunfall gutgeschrieben. Zunächst bleibt festzustellen, dass, soweit sich die erbrachte Versicherungsleistung auf eine im Sinne des § 811 ZPO unpfändbare Sache bezieht, die Übertragbarkeit der Forderung durch § 17 VVG und somit auch die Pfändbarkeit gemäß § 851 Abs. 2 ZPO stark eingeschränkt wird (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 311).

Keine Unpfändbarkeit

Im vorliegenden Fall hat daher zunächst eine Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob der beschädigte Pkw des Schuldners pfändbar gewesen wäre. Gemäß § 811 Nr. 5 ZPO wäre der Pkw des Schuldners unpfändbar, wenn er ihn zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit benötigen würde. Im vorliegenden Fall ist der Schuldner jedoch nicht berufstätig; wenigstens gibt er nur an, dass er den Pkw benötige, um Krankenfahrten zu seiner Frau nach … zu tätigen. Genauere Angaben zu dem Pkw, beispielsweise hinsichtlich des Fahrzeugtyps oder des Baujahres, sind aus den eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich. Von einer Unpfändbarkeit im Sinne des § 811 ZPO kann daher nicht ausgegangen werden, so das auch gemäß §§ 17 VVG, 851 Abs. 2 ZPO die zugrunde liegende Schadensersatzleistung nicht grundsätzlich unpfändbar ist.

Sittenwidrigkeit ist mehr als Unbilligkeit

Erst dann, wenn die Vollstreckungsmaßnahme für den Schuldner eine sittenwidrige Härte, nicht bloß eine Unbilligkeit darstellt, kann die entsprechende Maßnahme vom Vollstreckungsgericht aufgehoben oder untersagt werden. Eine sittenwidrige Härte liegt jedoch nur dann vor, wenn die Gesetzesanwendung zu einem nicht mehr hinnehmbaren Ergebnis führt (vgl. BGH NJW 1965, 2107). Der Prüfungsmaßstab richtet sich dabei nicht an den subjektiven Vorstellungen des Schuldners aus, sondern an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und Grundrechten des Schuldners (vgl. BVerfG NZM 2005, 657, 658).

Einwände des Gläubigers erfolgreich

Der Gläubiger wurde zu dem Antrag des Schuldners gehört und gab eine entgegentretende Stellungnahme ab, welcher sich das Vollstreckungsgericht im Wesentlichen anschließt. Eine sittenwidrige Härte, wie sie § 764a ZPO voraussetzt, ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht erkennbar. Auf die Stellungnahme des Gläubigers hin erfolgte keine weitere Stellungnahme des Schuldners. Aus den vorgenannten Gründen war der Antrag des Schuldners in der Folge als unbegründet zurückzuweisen.

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