Die Frage: Wie viele Angelegenheiten liegen vor?

Die Frage beantwortet sich danach, wie viele Angelegenheiten in der Zwangsvollstreckung vorliegen. Für jede Angelegenheit fällt einmal die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG an. Für die Zwangsvollstreckung leistet § 18 RVG die Abgrenzung zwischen den Angelegenheiten. Mit dem aufgezeigten Fall musste sich die Rechtsprechung schon einmal beschäftigen und hat im Sinne des Gläubigervertreters entschieden. Aber Achtung: Es muss genau differenziert werden.

AG Bremen sagt: Es liegen zwei Angelegenheiten vor

Die von der Gläubigerseite durchgeführte "Auswertung des Vermögensverzeichnisses" stellt nach Ansicht des AG Bremen (v. 29.5.2019 – 247 M 472059/18) neben dem nach § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG zu beurteilenden Verfahren zur Abnahme einer Vermögensauskunft eine gesondert zu beachtende und daher nach Nr. 3309 VV RVG separat zu vergütende besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dar.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG ist eine besondere Angelegenheit jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers.

Maßgeblich ist der "innere Zusammenhang"

Ob eine Vollstreckungsmaßnahme dieselbe oder aber eine andere, besondere Angelegenheit begründet, richtet sich vor diesem Hintergrund konkret danach, ob die zu beurteilende Vollstreckungsmaßnahme mit einer anderen Vollstreckungsmaßnahme in einem inneren Zusammenhang steht. Dabei stehen nur diejenigen Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (vgl. hierzu m.w.N. etwa v. Seltmann, BeckOK-RVG, 56. Edition, Stand: 1.9.2021, § 18 Rn 3; Schneider, ebd., Nr. 3309 VV RVG Rn 15).

Tätigkeit nach außen ist nicht erforderlich

Sowohl für die Annahme des Beginns einer Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 18 RVG als auch für den Anfall der Gebühr VV RVG 3309 ist es nicht erforderlich, dass bereits eine Tätigkeit mit Außenwirkung vorgenommen wurde. Vielmehr genügt hierzu bereits die einem konkreten Auftrag entsprechende Durchführung einer internen Prüfung, ob die Voraussetzungen einer bestimmten Zwangsvollstreckungsmaßnahme vorliegen, auch wenn die Prüfung nur einen geringen Arbeitsaufwand erfordert (vgl. Schneider, in: BeckOK-RVG, 56. Edition, Stand: 1.9.2021, Nr. 3309 VV RVG Rn 46–48). Allein die Prüfung, ob eine Vollstreckungsmaßnahme angebracht ist, genügt also zum Entstehen der Gebühr (so auch LG Landshut AGS 2020, 100).

Auftrag: Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nach Ermessen zu ergreifen

In der Regel wird der Auftrag des Gläubigervertreters, des Rechtsanwalts oder des Inkassodienstleisters, dahin gehen, nach den Maßstäben der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu prüfen und zu ergreifen. Grundlage dafür ist die Informationsbeschaffung im Hinblick auf eine konkrete Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Die Auswertung des Vermögensverzeichnisses ist eine solche Informationsbeschaffung im Hinblick auf eine neue Vollstreckungsmaßnahme.

Verfahren der Vermögensauskunft endet mit der Auskunftserteilung

Die auftragsgemäße Prüfung der Voraussetzungen weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die unter keinen der in § 19 RVG geregelten Fälle zu subsumieren ist, steht auch nach Ansicht des AG Bremen (a.a.O.) nicht mehr im inneren Zusammenhang mit dem Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft, das mit der Erteilung oder Verweigerung der Auskunft durch den Schuldner beendet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17).

 

Hinweis

Anders wäre dies wohl zu sehen, wenn sich die Auswertung auf die Prüfung beschränkt, ob der Schuldner die Auskunft gegebenenfalls nicht vollständig erfüllt hatte, die Auskunft daher nicht "erledigt" war und Nachbesserungsansprüche bestanden, oder sie sich in der reinen Kenntnisnahme von der Auskunftserteilung erschöpft.

Die auf die Verwertung der erlangten Informationen gerichtete Prüfung dient einem anderen Verfahrensziel als die ursprüngliche Vollstreckungsmaßnahme, die bereits durch Erteilung der Auskunft im oben genannten Sinne befriedigt gewesen ist (BGH a.a.O.).

Nur beim Absehen von einem Vollstreckungsantrag wird ein Fall daraus

Die aufgeworfene Frage bringt dem Gläubigervertreter im wahrsten Sinne des Wortes allerdings nur etwas, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass kein Vollstreckungsantrag zweckmäßig und wirtschaftlich gestellt werden kann. Ergibt die Auswertung des Vermögensverzeichnisses dagegen zugriffsfähiges Vermögen und wird insoweit ein Vollstreckungsauftrag gestellt, so handelt es sich um eine vorbereitende Maßnahme, die mit der Vollstreckungsmaßnahme dann eine Einheit bildet und die Gebühr nur einmal entstehen lässt. Reichen die Informationen aus der Auswertung des Vermögensverzeichnisses dafür nicht aus, wird deshalb zunächst kein Vollstreckungsantrag gestellt und erst zeitlich später aufgrund einer nicht kausal auf das Vermögensverzeichnis zurückgehenden neuen Information eine Vollstreckungs...

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