Leitsatz

1. Der Inkassodienstleister hat in der vorgerichtlichen Forderungseinziehung wie im gerichtlichen Mahnverfahren die gleichen Vergütungsansprüche wie ein Rechtsanwalt.

2. Eine 1,3-Geschäftsgebühr ist auch in einfachen Fällen nicht unangemessen.

3. Im gerichtlichen Mahnverfahren ist der Erstattungsanspruch des Gläubigers für die Rechtsverfolgung durch einen Inkassodienstleister nicht auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 25 EUR beschränkt. Vielmehr können auch hier die gleichen Kosten wie bei einem Rechtsanwalt – sofern als Vergütung vereinbart – als weitergehender materiell-rechtlicher Anspruch verlangt werden.

AG Frankfurt, Beschl. v. 10.6.2020 – 30 C 4824/19

1 I. Der Fall

Offene Forderung geltend gemacht und an IKU übergeben

Die Beklagte schuldete der Klägerin aus einem Anzeigenauftrag 1.865,92 EUR. Die Klägerin berechnete ihr diesen mit Rechnung vom 21.12.2018 und mahnte sie anschließend am 19.3., 3.4., 17.4. und 9.5.2019. Nachdem die Beklagte darauf nicht reagierte, beauftragte die Gläubigerin anschließend eine Inkassodienstleisterin mit der außergerichtlichen Forderungseinziehung und – soweit diese weiter erfolglos bleiben sollte – mit der Titulierung im gerichtlichen Mahnverfahren.

Hauptforderung anerkannt

Die Beklagte hat sich außergerichtlich nicht zu einer Zahlung bewegen lassen, ohne sachliche Einwendungen geltend zu machen. Im gerichtlichen Mahnverfahren hat sie dann erstmals eine Reaktion gezeigt und Widerspruch eingelegt. Darauf wurde ein Rechtsanwalt mit der Durchführung des streitigen Verfahrens beauftragt. Auf die Klagebegründung wurde dann die Hauptforderung anerkannt und entsprechend durch Teilanerkenntnisurteil tituliert.

Im Streit: die Rechtsverfolgungskosten

Im Streit sind nun noch die Zinsen und vor allem die Rechtsverfolgungskosten. Die Beklagte ist der Auffassung, hinsichtlich der Inkassokosten könne nur Freistellung begehrt werden, weil diese noch nicht ausgeglichen seien. Die Beauftragung einer Inkassodienstleisterin sei zudem zur Rechtsverfolgung nicht zweckentsprechend. Eine 1,3-Gebühr sei auch überhöht. Die Tätigkeit des Inkassobüros im Mahnverfahren sei nicht außerhalb der prozessualen Erstattungsregeln geschuldet und im Übrigen auf einen Betrag von 25 EUR gedeckelt.

2 II. Die Entscheidung

Zinsen sind geschuldet

Die Beklagte schuldet Zinsen aus dem anerkannten Betrag der Hauptforderung gemäß §§ 286 Abs. 3 S. 1 Hs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte kam 30 Tage nach Zugang der Rechnung vom 21.12.2018 über die fällige Vergütung ihrer Leistungen aus dem Auftrag i.H.v. 1.865,92 EUR in Verzug. Diese rechtsgeschäftliche Forderung aus unternehmerischem Geschäft ist mit dem Zinssatz aus § 288 Abs. 2 BGB verzinslich.

Vorgerichtliche Inkassokosten sind geschuldet

Unter dem Gesichtspunkt des Verzugs schuldet die Beklagte als Schadensersatz auch Zahlung der geltend gemachten vorgerichtlichen Inkassokosten i.H.v. 215 EUR.

Kosten eines Inkassobüros kann auch der Kaufmann ersetzt verlangen, sofern es sich nicht um Kosten der Erstmahnung handelt (vgl. Palandt/Grüneberg § 286 Rn 46), was vorliegend auch nicht der Fall ist. Entgegen der zitierten Rechtsprechung des AG Münsingen und des AG Dortmund ist die Einschaltung eines Inkassobüros auch zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung zweckentsprechend, weil der Gläubiger annehmen darf, dass die Beitreibung durch einen spezialisierten Rechtsdienstleister eine gewisse Warnfunktion beim Schuldner erfüllt und ihn zur Zahlung veranlasst. Aus der bloßen Nichtzahlung auf die Mahnungen der Klägerin lässt sich auch nicht ableiten, dass die Beklagte endgültig die Zahlung verweigern wollte, sodass unmittelbar Klage zu erheben gewesen wäre.

Zahlungs- und nicht nur Freistellungsanspruch

Bei dem Anspruch handelt es sich zudem um einen Zahlungs- und nicht um einen Freistellungsanspruch. Spätestens mit der Anspruchsleugnung im Prozess hat sich dieser in einen solchen umgewandelt (vgl. BGH NJW-RR 2016, 155, 159).

1,3-Geschäftsgebühr ist angemessen

Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. Insbesondere ist er nicht auf eine 1,0-Gebühr zu begrenzen. Wie der BGH zutreffend festgestellt hat (BGH NJW 2015, 3793), wäre auch bei Erteilung eines Anwaltsmandats eine 1,3-Gebühr erstattungsfähig, sodass für die Tätigkeit des Inkassobüros schon wegen § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG nichts anderes gelten kann.

Insoweit ist die Rechtslage allerdings offen und allgemein klärungsbedürftig (vgl. MüKo/Ernst § 286 Rn 167), sodass die Berufung zugelassen wird.

Materiell-rechtlicher Anspruch aus dem gerichtlichen Mahnverfahren

Ein weitergehender Anspruch auf Zahlung von 38 EUR Inkassovergütung entsprechend Nr. 3305 VV RVG abzüglich der anrechenbaren Gebührenanteile ist ebenfalls gemäß § 286 Abs. 1 BGB begründet. Insbesondere wird der Betrag des Schadensersatzanspruches nicht durch die Festsetzungsobergrenze nach § 4 Abs. 4 S. 2 RDGEG begrenzt (vgl. Krenzler, RDG § 4 Rn 206). Auch insoweit war aber wegen der offenen Rechtslage die Berufung zuzulassen.

Prozesszinsen

Der diesbezügliche Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 291 ZPO, all...

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