Voraussetzungen nach § 850f Abs. 2 sind nachzuweisen

Die Vorschrift des § 850f Abs. 2 ZPO erweitert den Zugriff des Gläubigers auf das Arbeitseinkommen des Schuldners, wenn er wegen eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt. Der Schuldner soll in diesen Fällen bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit auch mit den Teilen seines Arbeitseinkommens einstehen, die ihm sonst nach der Vorschrift des § 850c ZPO zu belassen wären. Über die Herabsetzung des unpfändbaren Betrages entscheidet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers. Allerdings ist es nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, auch über das Vorliegen eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu entscheiden. Insoweit ist es an die Auffassung des Prozessgerichts gebunden. Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, hat der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht daher einen Titel vorzulegen, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben; eine davon abweichende Beurteilung ist dem Vollstreckungsgericht versagt (BGH NJW 2005, 1663 = Rpfleger 2005, 370).

VB reicht nicht, sehr wohl aber ein VU

Nach diesen Grundsätzen hat der Senat bereits entschieden, dass durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO durch den Gläubiger nicht geführt werden kann (BGH InVo 2005, 326). Ob dies in gleicher Weise auch für ein Versäumnisurteil gilt, das weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält (bejahend: LG Frankenthal Rpfleger 2006, 29; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850f Rn 9; verneinend: OLG Stuttgart OLGReport 2000, 255; Musielak/Becker, ZPO, 8. Aufl., § 850f Rn 10), muss der Senat im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Denn das Versäumnisurteil enthält im Tenor die Feststellung, dass der Beklagte die Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet. Diese Feststellung des Prozessgerichts bindet das Vollstreckungsgericht. Sie genügt für den Nachweis der Voraussetzungen des § 850f Abs. 2 ZPO. Es ist unschädlich, dass das Versäumnisurteil lediglich auf eine Behauptung des Gläubigers gestützt wird. Anders als beim Vollstreckungsbescheid findet eine Schlüssigkeitsprüfung aufgrund der vorgetragenen anspruchsbegründenden Tatsachen statt, § 331 Abs. 2 ZPO. Ein auf dieser Grundlage ergangenes Urteil ist eine ausreichende Legitimation für eine Bindung des Vollstreckungsgerichts.

Reichweite der Feststellung muss bestimmt werden

Die Feststellung bezieht sich erkennbar auf alle Schadenspositionen, die im Tenor unter Ziffer 1 genannt sind. Dem steht die Formulierung "die Forderung" im Singular nicht entgegen, denn die unter Ziffer 1 mit aufgeführten außergerichtlichen Schadenskosten in Höhe von 17 EUR sind wie die Hauptforderung in Höhe von 102,09 EUR ausschließlich aus der Anspruchsgrundlage der unerlaubten Handlung geschuldet und von der Formulierung ebenfalls erfasst.

Streit, ob auch der KFB davon erfasst wird

Ob auch die Zwangsvollstreckung wegen der durch den Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Prozesskosten nebst Zinsen und wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 ZPO) der Privilegierung des § 850f Abs. 2 ZPO unterfällt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

So wird die Auffassung vertreten, das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO finde wegen der engen materiell-rechtlichen Verbindung auch auf die Vollstreckung wegen des Zinsanspruchs (LG Stuttgart InVo 2005, 281; KG Rpfleger 1972, 66 zu § 67 Abs. 2 Nr. 5 BVersG), der Prozesskosten (LG Saarbrücken JurBüro 2006, 380; LG Ellwangen JurBüro 2003, 660; LG Dortmund Rpfleger 1989, 75; MüKoZPO/Smid, 3. Aufl., § 850f Rn 14) oder der Vollstreckungskosten (Zöller/Stöber, § 850f, Rn 8; Musielak/Becker, § 850f Rn 9; MüKoZPO/Smid, § 850f Rn 14) Anwendung. Es handele sich um adäquate Folgen der unerlaubten Handlung.

Die Gegenmeinung (betreffend die Zinsen: LG Ellwangen JurBüro 2003, 660; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 850f Rn 8; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 1191; betreffend die Prozess- und Zwangsvollstreckungskosten: LG Hannover Rpfleger 1982, 232; Zöller/Stöber, § 850f Rn 8) geht demgegenüber auf der Grundlage einer am Wortlaut orientierten engen Auslegung davon aus, dass Verzugszinsen und Prozesskosten aus einem anderen Rechtsgrund als aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung geschuldet werden und deshalb nicht § 850f Abs. 2 ZPO unterfielen.

BGH entscheidet im Sinne der Gläubiger

Der Senat schließt sich der erstgenannten Meinung an. Sowohl die Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs auf Zahlung von Verzugszinsen als auch wegen der Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten und Kosten der Zwangsvollstreckung unterfällt dem Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO, wenn diese Ansprüche Folgen der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind.

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