Leitsatz

Einwendungen, die der Entscheidung im Erkenntnisverfahren nicht zugrunde gelegt werden konnten, weil der Schuldner sie erstmals im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemacht hat, sind im Verfahren nach § 888 ZPO nicht zu berücksichtigen.

OLG Saarbrückenv. 14.11.20089 WF 91/08

1 Der Fall

Vollstreckung Auskunftsanspruch zum Kindesunterhalt

Die Kinder als Gläubiger betreiben die Zwangsvollstreckung gegen den Kindesvater als Schuldner. Im Rahmen einer Unterhaltsstufenklage auf Auskunft und nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Nachehelichen- und Kindesunterhalt wurde der Schuldner durch rechtskräftiges Urteil verurteilt, Auskunft zu erteilen und bestimmte Belege vorzulegen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht auf Antrag der Gläubiger zur Erzwingung der erfolgten Verurteilung – gestützt auf § 888 ZPO – ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft verhängt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er eine Zurückweisung des Antrages der Gläubiger auf Festsetzung von Zwangsmitteln erstrebt. Er vertritt die Auffassung, zu weitergehender Auskunft und Vorlage von Belegen nicht verpflichtet zu sein, weil er Kindesunterhalt nach dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle zahle und von den Gläubigern ein diesen Höchstbetrag übersteigender Bedarf nicht dargelegt worden sei.

2 Die Entscheidung

Formale Voraussetzungen des § 888 ZPO?

Das Gericht bejaht zunächst die formalen Voraussetzungen des Vollstreckungsantrages. Dem ist auch der Schuldner nicht entgegengetreten. Ohne Erfolg wendet der Schuldner aber ein, zu weitergehender Auskunft bzw. Belegvorlage deshalb nicht verpflichtet zu sein, weil er an die Gläubiger Kindesunterhalt nach den Höchstsätzen der Düsseldorfer Tabelle zahle und diese einen weitergehenden Bedarf nicht dargelegt hätten. Diese Einwendungen, die der Entscheidung im Erkenntnisverfahren nicht zu Grunde gelegt werden konnten, weil der Schuldner sie erstmals im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemacht hat, sind im Verfahren nach § 888 ZPO – Zwangsvollstreckung zur Erfüllung einer nicht vertretbaren Handlung – nicht zu berücksichtigen. Denn durch sie wird das Bestehen eines Auskunftsanspruchs in dem von den Gläubigerinnen in dem Erkenntnisverfahren geltend gemachten Umfang aus materiellrechtlichen Gründen in Abrede gestellt, was im Verfahren der Zwangsvollstreckung nicht zulässig ist (vgl. OLG Köln InVo 2001, 70). Dessen ungeachtet kann selbst eine im Zusammenhang mit der Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft zu Unrecht erfolgte Verurteilung zur Vorlage von Belegen im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht mehr beanstandet werden (vgl. OLG München FamRZ 1992, 1207). Solche Einwendungen sind vielmehr einem nachfolgenden Betragsverfahren vorbehalten.

3 Der Praxistipp

Alles ist unverzüglich vorzutragen

Grundsätzlich müssen alle entscheidungserheblichen Tatsachen in dem zum Titel führenden Verfahren geltend gemacht werden. In der Zwangsvollstreckung können materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Aufgrund der Besonderheit, dass für die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ebenso wie für die Bescheidung von Vollstreckungsanträgen nach §§ 887 und 888 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, hat der BGH allerdings auch in diesen Vollstreckungsverfahren aus prozessökonomischen Gründen materiellrechtliche Einwendungen zugelassen (BGH NJW 2005, 367 = InVo 2005, 68). Anderenfalls wäre es erforderlich, zwei Verfahren einzuleiten, d.h. einerseits das Verfahren über den Vollstreckungsantrag des Gläubigers und andererseits das Verfahren über die Vollstreckungsgegenklage des Schuldners, obwohl in beiden Verfahren dieselben Richter entscheiden. Allerdings erfolgt auch im Vollstreckungsverfahren die Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwendungen nur unter Berücksichtigung der scharfen Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO. Danach sind Einwendungen, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung objektiv geltend gemacht werden konnten, nicht mehr zu berücksichtigen. So wie der Gläubiger schon im Erkenntnisverfahren immer auch die spätere Möglichkeit und das Risiko einer notwendigen Zwangsvollstreckung bedenken muss, müssen auch der Schuldner und sein Bevollmächtigter fehlerlos arbeiten. Der Gläubiger kann solche Fehler des Schuldners konsequent nutzen.

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