Das Vollstreckungsgericht entscheidet

Die Erinnerung ist zulässig. Das AG als Vollstreckungsgericht ist gem. §§ 766, 764 Abs. 1 ZPO für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig. Eine besondere Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ist vorliegend nicht gegeben, denn die Anwendbarkeit des § 89 Abs. 3 InsO scheidet nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus. Eine entsprechende Zuständigkeitsregelung für Erinnerungen während der Wohlverhaltensperiode enthält die Insolvenzordnung nicht, so dass es bei der allgemeinen Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bleibt (AG Bremen, v. 26.10.2007 – 248 M 480854/07, juris m.w.N.).

Keine Vollstreckung während Insolvenz und Wohlverhaltensphase

Die Erinnerung ist nur im tenorierten Umfang begründet. Gemäß § 294 Abs. 1 InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen der Schuldnerin in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. Der Gläubiger ist Insolvenzgläubiger i.S.v. § 38 InsO, weil er einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen die Schuldnerin hatte. Da ein Verstoß gegen § 294 Abs. 1 InsO die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht hindert, dauert diese bei einer unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot vorgenommenen Vollstreckungshandlung so lange an, bis ihre förmliche Aufhebung erfolgt (vgl. BGH MDR 2017, 1389).

Aber: Das bedeutet nicht zwingend eine Aufhebung von Maßnahmen

Der Rechtsschutzanspruch des Vollstreckungsgläubigers und seine durch die Zwangsvollstreckung erlangte Rechtsposition dürfen jedoch nur beschränkt werden, soweit und solange überwiegende Gründe dies zwingend erfordern (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1495). Eine Aufhebung des PfÜB, welche dem Gläubiger den erlangten Rangvorteil für alle Zukunft nimmt, ist dagegen nach dem Zweck des Gesetzes nicht geboten (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1495, Rn 10). Daher ist zur vorübergehenden Beseitigung der Verstrickung die Vollziehung aus dem angegriffenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auszusetzen (ebenso AG Zeitz, 29.11.2018 — 5 M 754/16, juris Rn 8).

Es reicht: Nur die Vollziehung wird ausgesetzt

Das ist durch den hiermit gefassten Beschluss erfolgt. Die Verstrickung wird auch beseitigt, sofern das Vollstreckungsorgan die Vollziehung des PfÜB bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (BGH DGVZ 2017, 238; ebenso im Ergebnis AG Dresden, 23.5.2018 – 545 IK 1176/17, juris).

Soweit das AG Essen (1.8.2018 – 163 IK 206/15, juris Rn 28; ebenso AG Göttingen, 26.10.2018 – 74 IK 155/18 GÖ, juris, ohne weitere Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH) eine Aussetzung der Vollziehung des PfÜB nicht in Betracht zieht, weil die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Möglichkeiten der Beschränkung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan im Hinblick auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren als abschließend anzusehen seien (a.a.O., Rn 27), kann dem nicht gefolgt werden.

Abweichende Meinung berücksichtigt BGH-Rechtsprechung nicht

Der 7. Zivilsenat des BGH hat mit Beschl. v. 2.12.2015 (VII ZB 42/14) lediglich ausgeführt, der Gläubiger sei nicht befugt, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen vorübergehend entfallen (a.a.O., Rn 7).

Hierin liegt jedoch kein Widerspruch zu der Auffassung des 9. Zivilsenats, dass die Verstrickung auch beseitigt wird, sofern das Vollstreckungsorgan die Vollziehung des PfÜB bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt. Denn der Gläubiger steht dem Vollstreckungsorgan nicht gleich. Soweit das AG Essen dem 9. Zivilsenat vorhält, ein Fehlzitat verwendet zu haben, ist ihm allerdings beizupflichten: Der Beschluss vom 19.5.2011 – IX ZB 284/09, befasst sich lediglich mit dem Thema, dass das Vollstreckungsorgan nicht gehindert sei, die von ihm angeordnete Vollstreckungsmaßnahme von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten uneingeschränkt aufzuheben und damit die Verstrickung zu beseitigen (juris Rn 11). Die angeblich unter Fußnote 10 zu findenden Ausführungen sind hingegen im Beschluss vom 24.3.2011 – IX ZB 217/08 enthalten (juris Rn 10). Dies wird auch von Wehner/Velibek, jurisPR-InsR 2/2019 Anm. 5 und Cranshaw, jurisPR-InsR 2/2019 Anm. 4 übersehen.

Kein Widerspruch in der BGH-Rechtsprechung

Der scheinbare Widerspruch zwischen dem Beschluss vom 19.5.2011 (IX ZB 284/09), in dem ausdrücklich nur von der Möglichkeit der Aufhebung des PfÜB die Rede ist, und demjenigen vom 24.3.2011 (IX ZB 217/08) besteht lediglich darin, dass der erstgenannte Beschluss sich mit der Rückschlagsperre des § 88 InsO beschäftigt, die zur Folge hat, dass die erlangte Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam wird. Diese Wirkung ist mit der Rechtsfolge de...

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