Der Gläubiger hat nicht nur gegen den Schuldner einen Anspruch auf Herausgabe der (Lohn-)Abrechnungen des Drittschuldners, sondern aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch gegen den Drittschuldner selbst.

LG Koblenz, 6.2.2009– 2 T 92/09

I. Der Fall

Lohnabrechnung vom Drittschuldner?

Der Gläubiger hatte in seinen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) den Passus aufgenommen, dass der Drittschuldner verpflichtet sei, dem Gläubiger die Lohn- und Gehaltsabrechnungen des Schuldners monatlich herauszugeben. Der Rechtspfleger hat diesen Passus gestrichen. U.a. hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers.

II. Die Entscheidung

Zu Unrecht hat das Amtsgericht den weitergehend geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe der Lohn- und Gehaltsabrechnungen, der gegen die Drittschuldner gerichtet war, nicht in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit aufgenommen.

§ 836 Abs. 3 ZPO: Anspruch gegen Schuldner

Bei der Forderungspfändung hat der Gläubiger gegen den Schuldner einen Anspruch auf Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden gemäß § 836 Abs. 3 ZPO. Zu den Urkunden im Sinne des § 836 Abs. 3 ZPO zählen auch Lohnabrechnungen aus einem Arbeitsverhältnis (vgl. nur OLG Hamm DGVZ 1994, 188, 189) und Leistungsbescheide betreffend Arbeitslosengeld (LG Essen JurBüro 2001, 153; LG Leipzig JurBüro 2001, 403; LG Regensburg Rpfleger 2002, 468; Musielak-Becker, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn 7).

Nebenansprüche von Pfändung umfasst

Nach überwiegender Ansicht, die durch den Beschluss des BGH vom 18.7.2003 (ZIP 2003, 1771) bestätigt worden ist, erstreckt sich die Pfändung des Hauptrechts auf die Ansprüche der Auskunftserteilung und Rechnungslegung, die der Feststellung des Gegenstandes und des Betrages des Hauptanspruchs dienen.

Systematik von § 836 Abs. 3 und Nebenansprüchen

Von der Systematik her stehen die Ansprüche aus § 836 Abs. 3 ZPO gleichberechtigt neben denen aus § 840 ZPO (OLG Hamm DGVZ 1994, 188, 189; LG Koblenz JurBüro 1996, 663, 664; LG Köln JurBüro 1996, 439).

Wenn der Schuldner die Urkunde nicht hat …

Befindet sich die herauszugebende Urkunde nicht in der Hand des Schuldners, sondern im Besitz des jeweiligen Drittschuldners, so ist der angebliche Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten durch den Überweisungsbeschluss neben der Forderung mitüberwiesen (OLG Hamm DGVZ 1994, 188, 189; LG Koblenz JurBüro 1996, 663, 664; LG Marburg Rpfleger 1994, 309).

… muss der Drittschuldner sie herausgeben

Der Gläubiger hat somit die Möglichkeit, den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe z.B. der Lohnabrechnung, des Leistungsbescheides als Nebenrecht mit in den PfÜB aufzunehmen. So kann der Gläubiger direkt gegen den Drittschuldner vorgehen. Eine Herausgabeanordnung gemäß § 836 Abs. 3 ZPO entfällt dann. Das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner gewährt einen Anspruch auf Übersendung der jeweiligen Leistungsbescheide. Dieser Auskunftsanspruch in Gestalt des Herausgabeanspruchs ist als Nebenrecht von der Pfändung umfasst. Diesen Anspruch kann daher auch der pfändende Gläubiger gegen den Drittschuldner geltend machen. Im Pfändungsbeschluss kann die Erstreckung der Einkommenspfändung auf den Auskunftsanspruch in Gestalt der Herausgabe des Leistungsbescheides, des Rentenbescheides, der Lohnabrechnung deklaratorisch mit ausgesprochen werden (vgl. OLG Hamm DGVZ 1994, 188, 189; AG Dortmund JurBüro 2008, 100; AG Wuppertal JurBüro 2007, 495; AG Dortmund JurBüro 2007, 499; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 1742).

III. Der Praxistipp

Lohnabrechnung als Teil des Informationsmanagements

Im Rahmen des Informationsmanagements des Gläubigers kommt dem Verlangen auf Herausgabe der Lohnabrechnung eine wichtige Rolle zu. Die Lohnabrechnung erlaubt nämlich die Überprüfung der zutreffenden Ermittlung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens sowie die Aufdeckung von Manipulationen des Schuldners sowie letztlich die Informationsbeschaffung über weiteres zugriffsfähiges Vermögen.

Überprüfung des pfändbaren Arbeitseinkommens

Immer wieder ist in der Praxis feststellbar, dass gerade kleinere Firmen als Arbeitgeber mangels juristischer Vorbildung bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens Fehler zu Lasten des Gläubigers machen. So werden bei der Berechnung des Nettolohns etwa Abschlagszahlungen oder freiwillige Leistungen des Schuldners an Dritte nicht berücksichtigt. Auch wird die Tabelle zu § 850c ZPO häufig unzutreffend angewandt. Mit der Lohnabrechnung in Händen kann der Gläubiger selbst überprüfen, ob der pfändbare Betrag des Arbeitseinkommens zutreffend ermittelt wurde.

Manipulationen aufdecken

Der Blick auf die Lohnabrechnung verrät dem Gläubiger, ob verheiratete Schuldner eine ihm nachteilige Lohnsteuerklasse gewählt haben. Die Wahl der Lohnsteuerklassen V oder IV statt der sachlich gerechtfertigten Lohnsteuerklasse führt zu einem geringeren Nettoeinkommen des Schuldners und damit möglicherweise auch zu einem niedrigeren pfändbaren Arbeitseinkommen oder gar dessen Unpf...

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