Leitsatz (amtlich)

Die mit der Pfändung eines Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung des Hauptrechts nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen (hier: Pfändung der Ansprüche aus einem Girovertrag mit Kontokorrentabrede).

 

Normenkette

ZPO § 829; BGB §§ 401, 412

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn

AG Schwäbisch Hall

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluss der 1b Zivilkammer des LG Heilbronn v. 31.3.2003 und der Beschluss des AG Schwäbisch Hall v. 19.2.2003, soweit er zum Nachteil des Gläubigers ergangen ist, aufgehoben.

Die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus dem Bankvertragsverhältnis sind gepfändet.

Die Schuldnerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Wert: bis 300 Euro

 

Gründe

I. Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung i. H. v. 165,25 Euro nebst Zinsen und Kosten (insgesamt 762,66 Euro). Das AG hat auf seinen Antrag am 22.1.2003 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, der die angeblichen, im Einzelnen näher bezeichneten Forderungen der Schuldnerin aus ihrer Geschäftsverbindung zur Drittschuldnerin umfasst. Davon ausgenommen hat das AG den Anspruch "auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus dem Bankvertragsverhältnis". Die gegen diese teilweise Zurückweisung des Pfändungsantrags gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers ist vor dem LG ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II. Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet; gem. § 577 Abs. 5 ZPO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nicht pfändbar. Er beruhe auf einer Geschäftsbesorgung gem. § 675 BGB, der Dienstleistungen i. S. d. §§ 611 ff. BGB zum Gegenstand habe. Gemäß § 613 S. 2 BGB sei der Anspruch auf die Dienste im Zweifel nicht übertragbar; gerade im Bereich des Bankvertrages bestehe eine begründete Vermutung dafür, dass nach dem Willen der Vertragsparteien Daten und Informationen nicht an Dritte - hier den Gläubiger - weitergegeben werden sollten. Die Interessen des Gläubigers seien durch § 840 ZPO ausreichend gewahrt; ihm stünden auch keine weiter gehenden Auskünfte zu, als er im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhalten könne.

Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Ansprüche gem. §§ 675, 666 BGB seien unselbstständige Nebenrechte zur Hauptforderung aus dem Bankverhältnis, die ohne weiteres auf den Pfändungsgläubiger übergingen und nicht den Beschränkungen des § 613 S. 2 BGB unterworfen seien. Diese Ansprüche seien vertraglicher Natur und von den gesetzlichen Auskunftsansprüchen nach § 840 ZPO und §§ 807, 900 ff. ZPO abzugrenzen.

2. Dem Standpunkt der Rechtsbeschwerde ist beizupflichten.

a) Die vom AG ausgesprochene Pfändung erstreckt sich auf die Forderungen der Schuldnerin aus der Geschäftsverbindung zur Drittschuldnerin einschließlich aller Nebenansprüche und Nebenrechte. Zu Letzteren zählt ihr Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung gem. §§ 666, 675 BGB, der der Feststellung des Gegenstandes und des Betrages des Hauptanspruches dient. Er kann nicht selbstständig, d. h. nicht allein, gepfändet werden. Die mit der - hier erfolgten - Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich aber ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen (BGH, Beschl. v. 16.6.2000 - BLw 30/99, ZIP 2000, 1444 unter II 3; v. 22.11.2000 - BLw 1/00, NL-BzAR 2001, 119 unter II 2a; Urt. v. 18.6.1998 - IX ZR 311/95, MDR 1998, 1303 = WM 1998, 1689 unter I 1; OLG Karlsruhe v. 22.1.1998 - 19 U 217/96, OLGReport Karlsruhe 1998, 272 = NJW-RR 1998, 990 [991]; LG Frankfurt a.M. v. 20.1.1986 - 2/9 T 1119/85, MDR 1986, 594; LG Aachen v. 15.2.1991 - 5 T 369/90, JurBüro 1991, 873; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 829 Rz. 80; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 669, 1741; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 829 Rz. 21; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 829 ZPO Rz. 57). Einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht (Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 829 Rz. 80; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 1741, 940). Das Vollstreckungsgericht kann jedoch auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung aussprechen (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 1741).

Einen solchen Antrag hat der Gläubiger gestellt; das Vollstreckungsgericht ist dem nicht nachgekommen. Die Wirkungen der Pfändung sind daher durch das Rechtsbeschwerdegericht festzustellen. Denn das Vollstreckungsgericht hat den diesbezüglichen Antrag des Gläubigers nicht mit der Begründung zurückgewiesen, der begehrte Ausspruch der Pfändungswirkungen sei mit Blick auf die Pfändung des Hauptrechts entbehrlich. Es hat vielmehr die Ansicht vertreten, eine Mitpfändung scheide nach den §§ 851 Abs. 1 ZPO, 675, 613 S. 2 BGB aus.

b) Das ist nicht richtig, auch wenn die gepfändeten Ansprüche der Schuldnerin einem Girovertrag mit Kontokorrentabrede entstammen, der als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter i. S. d. §§ 675, 611 ff. BGB zu qualifizieren ist (BGH, Urt. v. 4.7.1985 - III ZR 144/84, MDR 1986, 32 f.; vgl. ferner BGH, Urt. v. 24.9.2002 - XI ZR 345/01, MDR 2003, 165 = BGHReport 2002, 1094 = WM 2002, 2281 unter II 1b bb). Der BGH hat bereits entschieden, dass nicht alle von einem Geldinstitut daraus geschuldeten Dienstleistungen personengebundenen Charakter i. S. d. § 613 S. 2 BGB haben. Insbesondere sind die vom Gläubiger in der Hauptsache gepfändeten Ansprüche auf Auszahlung einer Geldsumme nicht auf eine Dienstleistung gerichtet. Es handelt sich um schlichte Geldforderungen, die - wie andere Geldforderungen auch - grundsätzlich übertragbar und pfändbar sind. Der Umstand, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis als Dienstleistungsvertrag einzuordnen ist, ändert daran nichts (BGH v. 30.6.1982 - VIII ZR 129/81, BGHZ 84, 325 [329 ff.] = MDR 1982, 928). Ist aber die Höchstpersönlichkeit der als Hauptforderung gepfändeten Leistung zu verneinen, gilt dies auch für unselbstständige Nebenrechte, die lediglich darauf abzielen, zugunsten des Gläubigers Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 978311

BGHR 2003, 1373

EBE/BGH 2003, 306

FamRZ 2003, 1652

NJW-RR 2003, 1555

WM 2003, 1891

WuB 2004, 289

ZAP 2003, 1248

ZIP 2003, 1771

JuS 2004, 253

KKZ 2004, 88

MDR 2006, 965

Rpfleger 2003, 669

ZBB 2003, 372

Kreditwesen 2003, 1416

ProzRB 2004, 9

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