Leitsatz

Weist die Ladung zu einer Gesellschafterversammlung derart schwerwiegende Form- und Fristmängel auf, dass dem Gesellschafter eine Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird, steht dies einer Nichtladung des Gesellschafters gleich und führt zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.

 

Sachverhalt

Die – mittlerweile insolvente – C-GmbH ist eine zweigliedrige Gesellschaft, an der der Kläger und D jeweils 50 % der Anteile hielten; beide waren auch Geschäftsführer der GmbH. Deren Gesellschaftsvertrag enthält in § 7 Nr. 2 zur Durchführung der Gesellschafterversammlung folgende Regelung: "Die Gesellschaft ist beschlussfähig, wenn nach ordnungsgemäßer Ladung oder Verzicht hierauf mehr als 3/4 der Stimmen repräsentiert sind." Ende 2001 beabsichtigte der Kläger, seinen Geschäftsanteil zu veräußern, konnte aber mit D hierüber kein Einvernehmen erzielen. Im Anschluss an die hierzu geführte Besprechung wollte D eine Gesellschafterversammlung durchführen. Der Kläger verweigerte seine Teilnahme. D führte gleichwohl in Abwesenheit des Klägers eine Gesellschafterversammlung durch und beschloss die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer. Am 26.11.2001 übersandte D dem Kläger um 20.37 Uhr eine E-Mail, mit der er ihn auf den 27.11.2001, 10.00 Uhr, zu einer Gesellschafterversammlung einlud mit dem Tagesordnungspunkt "Abberufung des Geschäftsführers … (Kläger)". Der Kläger erlangte von dieser E-Mail erst am 29.11.2001 Kenntnis und nahm daher an der Versammlung, auf der er abberufen wurde, nicht teil. LG und OLG haben die Abberufung als wirksam angesehen. Der BGH hob die Vorentscheidung auf und stellte die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses fest.

 

Entscheidung

Der in der Gesellschafterversammlung vom 27.11.2001 gefasste Abberufungsbeschluss ist nicht nur anfechtbar, sondern mit Rücksicht auf die Vielzahl und das Gewicht der Einberufungsmängel, die einer Nichtladung des Klägers gleichkommen, nichtig. Die Nichtladung eines Gesellschafters ist ihrerseits ein Einberufungsmangel, der nach h.M. zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Gesellschafterbeschlüsse führt[1].

Die Ladung des Klägers per E-Mail ohne Unterschrift erfüllt nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen, die an die ordnungsgemäße Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu stellen sind. Mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag, der in § 7 Nr. 2 nur die "ordnungsgemäße" Ladung voraussetzt und damit auf die gesetzlichen Vorschriften verweist, hatte die Ladung des Klägers durch eingeschriebenen und unterschriebenen Brief mindestens eine Woche vor dem Termin[2] zu erfolgen[3]. Schließlich wäre D auch verpflichtet gewesen, dem Kläger die Tagesordnung mindestens drei Tage vor der Gesellschafterversammlung mitzuteilen[4].

 

Praxishinweis

Die Ladung des Gesellschafters zur Gesellschafterversammlung dient der Sicherung seines umfassenden Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft[5]. Das Teilnahmerecht geht über das Recht, an der Abstimmung der Gesellschaft mitzuwirken, hinaus und ist auch dann unentziehbar und deshalb zu gewährleisten, wenn der Gesellschafter in der Versammlung gar nicht stimmberechtigt ist[6]. Schon dann, wenn die Art der Ladung dem Gesellschafter die Teilnahme massiv erschwert, wird ihm die Ausübung seines Rechts in gleicher Weise entzogen wie im Fall der Nichtladung.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 13.2.2006, II ZR 200/04

[1] Vgl. nur BGH-Urteil vom 20.9.2004, II ZR 334/02, ZIP 2004, S. 2186; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., München 2005, § 47 Rz. 102; jeweils m.w.N.
[6] Vgl. ebenda, S. 1151

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge